Chronik/Wien

Wenn die Wiener Straßenbahn in die Werkstatt muss

Von Maximilian Gruber

Es riecht nach einer gewöhnlichen Werkstatt. Nach Metall und Motoröl. Doch das Fahrzeug, unter dem man steht, ist kein Auto. Es wiegt 30 Tonnen. Es hat keine Gummireifen, die Räder sind aus Metall. Es ist eine Wiener Straßenbahn.

Für viele Wienerinnen und Wiener gehört die Straßenbahn zur täglichen Begleiterin. Dass ihre U-Bahn fährt, ist für sie selbstverständlich. Dafür müssen die Fahrzeuge jedoch repariert und gewartet werden. Die Frage ist: Wo? 

Seit 50 Jahren ist dieser Ort in einer 50.000 Quadratmeter großen Halle in Simmering: die Hauptwerkstätte der Wiener Linien. Hierhin werden die Straßenbahnen am Schienenweg gebracht, wenn sie alle sechs Jahre gewartet werden. Doch auch bei Akutschäden – beim Verschleiß von Rädern, bei kaputten Türen oder nach Kollisionen – führt der Weg nach Simmering. 

Auch U-Bahn-Züge müssen gewartet werden. Da sie zu lang sind, werden nur ihre Räder in die Hauptwerkstätte gebracht. Eine Ausnahme ist die U6: Sie kann auf Straßenbahnschienen fahren. In der Nacht – denn sie ist zu breit für Gegenverkehr – werden so einzelne Züge der braunen U-Bahnlinie in die große Halle geführt. 

Doch wie sieht ein typischer Arbeitstag in der Halle in Simmering aus? Nicht alles ist so, wie man sich eine typische Werkstatt vorstellt: Die Halle ist vom Sonnenlicht durchflutet, man hört Radiomusik, dazwischen sorgen überraschend viele Pflanzen für werkstatt-untypische Atmosphäre. Dazu tragen auch vorbeifahrende Menschen auf Fahrrädern bei – die so  schneller die großen Distanzen zurücklegen. 

Denn die Ausmaße sind beachtlich: Hier ist zeitgleich Platz für 20 Bims und 200 Fahrzeugteile, die sich auf Regalen und Gerüsten stapeln. Bis zu 700 Technikerinnen und Techniker sind hier am Werk. Kommt eine Straßenbahn in die Werkstatt, wird sie gereinigt und detailliert geprüft.  

Nach der Inspektion geht es weiter in Detailwerkstätten. Eine davon ist auf Räder und Getriebe spezialisiert; Oberwerkmeister Helmut Poppenberger leitet sie. Er ist seit 48 Jahren bei den Wiener Linien.  „Früher haben wir die Straßenbahnen mit Seilen gezogen, heute macht das ein funkgesteuertes Gefährt.“ 

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Auch die Steuertechnik verlagerte sich: Bei den alten Garnituren war sie unter dem Boden, bei Niederflur-Bims ist sie am Dach. Entsprechend musste auch Poppenberger immer Neues lernen, doch das störe ihn nicht. „Ich arbeite gerne daran, dass in Wien alles rund läuft.“

Zwei Jahre möchte er noch Straßenbahnen reparieren. Dann wäre er 50 Jahre bei den Wiener Linien – die Hauptwerkstätte ist ihm zwei Jahre voraus. Einziger Nachteil: Er kann nicht mehr gedankenlos mit den Öffis fahren, denn er achte immer auf die Geräusche: „Es ist ein recht angespanntes Fahren“, fügt er lächelnd hinzu.