Sportwetten sind das neue Glücksspiel
Mit einer Bierdose in der Hand hockt Goran (Name geändert) vor einem Bildschirm im "Wettpunkt-Café Carl" und hofft, dass Collingwood vor Warrandyte Venom 50 Punkte erzielt. "Ich wette auf alle Sportarten. Momentan ist es halt die Metropolitan Basketball-Liga in Melbourne", erzählt er, während er auf den Bildschirm tippt. "Es geht einfach ums Ego: Man will stärker sein als die Maschine und sein Geld zurückgewinnen."
Das gelingt Goran aber nur bedingt: "Heute hab ich schon 100 Euro gewonnen und in den letzten 30 Minuten wieder 80 verspielt. Am Ende des Tages steht zu 90 Prozent ein Minus", sagt er. Wenn er einen freien Tag hat, sitzt er fünf bis sechs Stunden in dem abgedunkelten Lokal in der Reinprechtsdorfer Straße in Wien-Margareten. "Wie viel ich insgesamt schon verspielt habe? Keine Ahnung: Vielleicht 10.000, vielleicht 20.000 Euro", lacht er.
Bis Jahresbeginn galt die heruntergekommene Einkaufsmeile als die Straße mit der Wien-weit höchsten Dichte an Glücksspiel-Automaten. Die einarmigen Banditen sind zwar nach dem Verbot des Kleinen Glücksspiels weitgehend verschwunden, geblieben sind aber die Wettlokale. Gleich acht Stück säumen die einen Kilometer lange Straße; zwei davon sind zuletzt neu dazugekommen.
Fette Wett-Zuwächse
Damit folgt die Reinprechtsdorfer Straße dem österreichweiten Trend: 2014 wurden mit Glücksspielen und Sportwetten 1,5 Milliarden Euro umgesetzt. Das größte Plus gab es dabei bei Sportwetten, nämlich 18 Prozent. Einerseits wegen der Fußball-WM; viel mehr profitieren die Wettbüros aber von den Einschränkungen beim Kleinen Glücksspiel.
Während die Erlöse bei Sportwetten im Internet um vier Prozent zulegten, gibt es in den Wettlokalen ein sattes Plus von mehr als 20 Prozent. "Das Geld, das früher in die Glücksspielautomaten gesteckt wurde, landet jetzt in den Wett-Automaten", sagt Dominique Otto vom Marktforschungsinstitut Kreutzer, Fischer & Partner.
Auch bei diesen Automaten kann man in kurzer Zeit viel Geld verlieren. "Das Spielgefühl ist mit dem Glücksspiel vergleichbar, weil es so viel Angebot gibt. Man kann gleichzeitig auf ein Cricketspiel in Indien und ein Pferderennen in England setzen", sagt Otto.
Würde man auch die Wett-Automaten verbieten, würde es bloß zu einer abermaligen Verlagerung kommen: "Die Spieler wandern dann zu den Schaltern des Kassen-Geschäftes. Das sieht man an unseren Zahlen für Vorarlberg. Dort ist das Wettautomaten-Verbot de facto bereits Realität", sagt Otto. Die Online-Branche hätte hingegen kaum profitiert.
Anders sieht das Ex-Spieler Franz R., der gerade im Admiral-Wettlokal in der Reinprechtsdorfer Straße ein kleines Bier trinkt. "Von den alten Stammgästen in den Glücksspiel-Lokalen sehe ich hier keine. Ich glaube, die sind alle ins Internet ausgewichen."
Er selbst hat mit einarmigen Banditen den Wert "einer kleinen Wohnung" verspielt. "Als meine Frau ein Ultimatum stellte, hab ich aufgehört." Dennoch besucht er gern das Admiral, spielt aber nur mehr sehr vorsichtig: "Ich setze ein Mal die Woche fünf Euro auf ein Fußballmatch. Wenn ich 50, 60 Euro gewonnen hab, gehe ich heim."
Als Leiterin der Spielsuchthilfe hilft Izabela Horodecki Spielsüchtigen, von ihrer Sucht los zu kommen. Sie ist für strengere Regeln und Kontrollen der Spieler.
KURIER: Frau Horodecki, wie viel Geld kann man bei einem Wett-Automaten innerhalb einer Stunde verlieren?
Izabela Horodecki:Das hängt davon ab, wie viel man einsetzt. Meine Patienten berichten, dass sie bei einem Spiel gleich mehrere Hundert Euro setzen, manchmal auch mehr. Aber wenn ich auch nur zwanzig Euro täglich verspiele, sind das 600 Euro im Monat.
Sind Wett-Automaten vergleichbar mit den Automaten beim kleinen Glücksspiel?
Verlagert sich das Wettgeschäft auch ins Internet?
Ja, denn viele wollen bei den Wetten im Netz immer live dabei sein. Ich habe etwa den Fall eines jungen Mannes, der extra den Wecker auf zwei Uhr früh stellt, um bei einem Event live dabei sein. Das wirkt sich natürlich auf seine Arbeitsleistung aus.
Welche weiteren Gefahren gibt es bei Internet-Wetten?
Dass die Menschen schneller den Bezug zum Geld verlieren, da mit einem Klick alles weg ist. Dazu kommt die völlige Anonymität. Auch Betrug ist bei illegalen Anbietern viel leichter möglich.Wie viele Internetseiten gibt es in Europa?
Es gibt rund 15.000 Glücksspiel-Seiten, wovon 85 Prozent illegal sind. Ein Aus der Wett-Automaten würde vermutlich eine Verlagerung ins Internet bedeuten.
Welche Lösungen schlagen Sie vor?
Ich bin generell gegen Verbote, denn die treiben die Leute nur zu illegalen Angeboten. Besser sind sehr strenge Regulierungen, die aber auch zu kontrollieren sind. Beim kleinen Glücksspiel wurde der Jugendschutz nie eingehalten, weil die Glücksspiel-Lokale nicht kontrolliert wurden.