Chronik/Wien

„Natürlich sind noch Fragen offen“

Schwerpunkte statt Doppelgleisigkeiten, mehr tagesklinische Versorgung, dafür weniger Betten. So sieht es der medizinische Masterplan für Wiens Spitäler nach 2020 vor. Betroffene protestieren bereits, im KURIER-Gespräch nimmt Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely dazu Stellung.

KURIER: Frau Stadträtin, vor einer Woche wurde der Masterplan den Primarärzten präsentiert. Welches Feedback haben Sie seitdem bekommen?

Sonja Wehsely:An sich ein sehr positives. Was bei den Betroffenen sehr gut ankommt: Wir arbeiten das Konzept nicht im stillen Kämmerchen aus, sondern binden von Anfang an jene Spitalsmitarbeiter ein, die auch das Fachwissen dazu haben. Natürlich sind noch viele Fragen offen. Doch wie das Konzept genau aussehen wird, wird in den kommenden Monaten von den Primarärzten mit den Experten erarbeitet.

Es gibt aber nicht nur Lob: Der Betriebsrat der Rudolfstiftung bezeichnet die Umstrukturierung als „katastrophal“, weil dort die Streichung einiger zentraler Abteilungen vorgesehen ist. Droht ein Kahlschlag in der Rudolfstiftung?

Nein. Der wesentlichste Punkt für den Betriebsrat ist die Sicherheit für die Rudolfstiftung. Das verstehe ich, da hat es auch Gespräche gegeben. Es ist ganz klar: Wenn wir künftig statt 14 Spitälern sieben haben, ergibt sich, dass die Rudolfstiftung unabdingbar notwendig ist. Die Bedeutung des Spitals wird also sicher nicht abnehmen. Wir haben ja auch gerade 100 Mio. Euro investiert.

Ein Hintergrund des Konflikts ist: Das Haupthaus der Rudolfstiftung ist dringend sanierungsbedürftig.

2020 wird die Entscheidung fallen, ob ein Neubau oder eine Generalsanierung erforderlich ist.

Auch andere Spitäler werden auf bettenführende Abteilungen verzichten müssen. Können Sie dennoch eine ausreichende Versorgung in diesen Fächern garantieren?

Ich kann garantieren, dass mit der Umsetzung des Masterplans in den Gemeindespitälern medizinische Versorgung in höchster Qualität gegeben ist. Bei unserem Konzept geht es um fächerübergreifende Schwerpunkte in den einzelnen Spitälern. Basisversorgung und Erstaufnahme wird es daneben aber in allen Spitälern geben. Die Frage, welche einzelnen Abteilungen es geben soll, ist in diesem Zusammenhang nicht mehr so wichtig.

Dennoch ärgern sich manche Primarärzte wegen des Verlusts ihrer Bettenstationen.

Das Denken, „ich bin der mächtigste Arzt, weil ich die meisten Betten habe“, ist Medizin der Vergangenheit. Beispiel Katerakt-OPs: Die werden künftig fast nur mehr tagesklinisch gemacht. Betten wird man dafür nicht mehr unbedingt brauchen. Bettenzahlen sagen also nichts über die tatsächliche Leistung aus.

Wird die Umstrukturierung mit Personalabbau einhergehen?

Nein. Wir werden alle Kollegen brauchen. Die Arbeit geht uns ja nicht aus. Aber sie wird entsprechend der neuen Anforderungen anders sein.

Wann wird das Konzept fertig umgesetzt sein?

Wir planen jetzt für die Zeit nach 2020. Beim Krankenhaus Hietzing wird die Detailplanung aber schon 2015 abgeschlossen sein.

Zweck der Reform ist eine Eindämmung der Gesundheitsausgaben. Wie viel wird man einsparen können?

Mit der neuen Struktur können wir die vorhandenen Mittel besser bündeln. Wir wollen den Anstieg der Ausgaben dämpfen und die Qualität steigern. Zunächst werden wir aber Milliarden investieren. Schließlich liegt das Durchschnittsalter der Spitäler bei über 80 Jahren. Allein beim Krankenhaus Hietzing, dem Wilhelminenspital und dem Kaiser-Franz-Joseph-Spital geht es dabei um mindestens 3,5 Milliarden Euro.

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Wie kann Wiens Spitalslandschaft mit dem starken Bevölkerungswachstum vor allem im Norden der Stadt fertigwerden? Und wie gelingt es, effizientere, kostengünstigere Strukturen zu schaffen, die dem medizinischen Fortschritt gerecht werden? Das sind die Kernfragen der Wiener Spitalsreform, die bereits 2011 beschlossen wurde.

Seit einer Woche liegt der Masterplan dazu vor. Er legt fest, welche Leistungen die Wiener Gemeindespitäler künftig anbieten werden. Die wichtigsten Details: In jedem der drei Wiener Versorgungsregionen werden die zwei dortigen Spitäler zu einem Paar zusammengefasst. Jedes Spital erhält bestimmte Schwerpunkt-Zentren (z. B. Onkologie, Kardiologie), die sich mit dem Schwerpunkt-Angebot des Nachbar-Krankenhauses ergänzen (siehe Grafik oben).

Darüber hinaus verfügt jedes Spital über eine Grundversorgung. Sie besteht unter anderem aus entsprechenden Angeboten aus der Inneren Medizin (mit breiter fachlicher Ausrichtung), einer zentralen Notaufnahme sowie Leistungen im Bereich der Akutgeriatrie und der Remobilisation.

Teil des Konzepts ist auch das neue Krankenhaus Nord, das im Jahr 2016 in Vollbetrieb gehen soll. Es versorgt jene Teile Wiens, deren Bevölkerung besonders stark anwächst.