Chronik/Wien

Sima: Taubenfütterung "macht die Vögel krank"

So manchem Tierfreund steigt die Zornesröte ins Gesicht, wenn er auf Hinweistafeln in Wiener Parks liest: "Wer Tauben füttert, füttert Ratten!" Wie berichtet, werfen Kritiker Umwelt-Stadträtin Ulli Sima (SP) vor, sie wolle die Tiere ausrotten. Im KURIER-Interview verteidigt Sima nun die Kampagne – und kündigt deren Intensivierung an.

KURIER: Frau Stadträtin, was ist Ihre erste Assoziation, wenn Sie an Tauben denken?

Ulli Sima: (lacht) Ich habe da verschiedene. Aber berufsbedingt denke ich zuerst an unser Bemühen, das Taubenfüttern in Wien zu unterbinden.

Kritiker des Fütterungsverbots unterstellen Ihnen, Sie wollten das Image der Tauben schädigen und die Vögel ausrotten.

Ich habe überhaupt nichts gegen Tauben. Aber ich hab was dagegen, wenn Leute Essensreste auf die Straße werfen – das geht nirgends; dagegen gehen auch andere Städte, wie etwa Hamburg, vor. Es geht nicht um die Diskriminierung der Tauben – die Vögel haben in der Stadt natürlich ihren Platz. Aber was hier gemacht wird, ist falsch verstandener Tierschutz. Durch das Füttern leidet das Stadtbild, ganze Grätzel werden verschmutzt: Zum einen durch weggeworfene Nudeln, Pommes oder Brot, zum anderen durch den Taubenkot – da können MA48 und MA42 noch so intensiv putzen. Schon ein, zwei unbelehrbare Taubenfütterer reichen aus, dass kleine Beserlparks so voll von Tauben sind, dass die Leute gar nicht mehr reingehen wollen. Außerdem haben wir ein Folgeproblem mit den Ratten.

Besorgte Tierfreunde meinen aber, dass die Tauben verhungern würden, wenn man sie nicht füttert.

Tauben finden sich selbst genug Futter – das ist die allgemein gängige Lehrmeinung. Sie fressen Samen und Pflanzensprossen, aber auch Würmer und Insekten – das gibt’s in Wien genug, 50 Prozent der Stadt sind Grünflächen. Wenn die Tiere mit der Futtersuche beschäftigt sind, haben sie auch weniger Nachwuchs – im Schnitt zwei Mal pro Jahr. Aber durch das Füttern explodiert die Population. Davon abgesehen, ist das kein artgerechtes Füttern, was hier passiert – das macht die Vögel bloß krank. Die ungesunde Mangelernährung führt zur Schwächung des Immunsystems, verdorbene Fleischreste sind oft ein Todesurteil. Von Essensresten profitieren nur die Ratten. Das bestätigten sämtliche Fachleute, bei einem Symposium, zu dem wir eingeladen hatten.

Kritiker beklagen, dass nach besagter Fachtagung als einzige Conclusio das Fütterungsverbot herausgeschaut habe.

Es ist einfach eine wichtige Voraussetzung – zum Beispiel, damit der Taubenkobel im Meidlinger Amtshaus funktioniert (der neben der artgerechten Fütterung der Geburtenkontrolle dient; Anm.). Der wird zurzeit nur mangelhaft angenommen, weil rundherum gefüttert wird und die Vögel deshalb keine Motivation haben, den Taubenkobel aufzusuchen. Darum sind in Meidling zusätzliche Informationstafeln geplant.

Können Sie sich weitere Taubenkobel vorstellen?

Durchaus. Aber bis dato wurde noch nicht einmal Meidling angenommen. Wir kommen in die Testphase gar nicht hinein, weil das Futterangebot rundherum so groß ist.

Apropos: So mancher meint, artgerechtes Füttern – etwa mit eiweißhältigen Körnern – sei nicht strafbar. Stimmt das?

Das Reinhaltegesetz sagt ganz klar, dass man nichts auf die Straße werfen oder dort ausleeren darf, ohne da zu differenzieren. Da würden wir mit dem Ausjudizieren nicht fertig werden. Das ist im Prinzip dieselbe Debatte wie beim Wegräumen des Hundekots: So lange nicht gestraft wird (Vogelfütterer riskieren 36 Euro Strafe), entwickelt sich kein Unrechtsbewusstsein. Am Anfang gab es auch dagegen viel Widerstand – da hieß es: "Wofür zahl ich Hundesteuer?!" – aber mittlerweile gibt es da echt viel Zivilcourage. Darum wollen wir bei den Tauben eine zweite Welle von Info-Tafeln starten. Während bei der ersten Welle der Hygiene-Faktor im Mittelpunkt stand, soll jetzt die Quintessenz lauten: "Echter Tierschutz ist, die Tauben nicht zu füttern."