Chronik/Wien

Mädchenmord-Prozess: Angeklagter bekennt sich schuldig - "Höre Stimmen"

Eine zusätzliche Sicherheitsschleuse vor dem Saal, ein Polizeihund, drinnen Beamte der Sondereinheit WEGA in voller Montur: Unter strengsten, bisher nicht da gewesenen Sicherheitsvorkehrungen findet am Mittwoch am Wiener Landesgericht der Mordprozess gegen einen 16 Jahre alten Burschen statt, der im vergangenen Mai in einer Gemeindebau-Anlage in Wien-Döbling ein siebenjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft getötet haben soll. Zuletzt hatte der Angeklagte behauptet, Stimmen hätten ihm die Bluttat befohlen. Das Mädchen wäre heute acht Jahre alt geworden.

Die Verhandlung wurde kurzfristig in den Saal 303 im dritten Stock verlegt, der Trakt wurde komplett gesperrt. Der KURIER ist vor Ort.

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Live-Bericht

Sicherheitskontrollen verzögern Prozessbeginn

Es herrschen strengste Sicherheitsvorkehrungen in und um das Gebäude. Auch Liane Hirschbrich, die Anwältin des 16-Jährigen, erschien mit Personenschützer vor Gericht. Vor dem Eingang hatte sich gegen 8.00 Uhr eine meterlange Warteschlange gebildet - ebenso wie vor einer technisch hochmodernen mobilen Schleuse, über die man Zutritt zur Verhandlung erhielt. Im Saal, wo ebenfalls zahlreiche bewaffnete Sicherheitskräfte postiert waren, gab es keinen Internetempfang. Laut KURIER-Reporterin verzögerte sich der Prozessstart, da um 9 Uhr noch viele bei den Kontrollen an der Sicherheitsschleuse standen.

Um 9.23 Uhr wurde der Angeklagte in den Gerichtssaal gebracht. Der 16-Jährige trug eine dunkle Hose, Sneakers, ein weißes Hemd und eine Schutzweste. Der Bursche wurde von seiner Verteidigerin begrüßt, als er auf einem Sessel Platz nahm. Auf die Frage, wie es ihm gehe, meinte er: "Angespannt." Dann musterte er interessiert das Publikum.

Der Angeklagte wurde von drei ebenfalls mit Schutzwesten ausgestatteten Justizwachebeamten abgeschirmt. Zahlreiche weitere Justizwachebeamten hatten sich mit Blickrichtung zum Publikum postiert. Unter den Zuhörern befanden sich die Mutter der getöteten Siebenjährigen, ein Bruder und ein Onkel des Mädchens. Die Opferfamilie kam in Begleitung eines Dolmetschers.

Zusätzlich zu den sechs Sicherheitsbeamten im Sall sind auch Zivilpolizisten anwesend. Die beiden erstellten Gutachten widersprechen sich (mehr dazu weiter unten).

Plädoyer der Staatsanwältin: "Brutal getötet"

Der 16-Jährige habe das Mädchen "brutal getötet", sagte die Staatsanwältin in ihrem Eingangsplädoyer. Ende 2017 hätte der Bursch begonnen, sich mit dem Thema Mord auseinanderzusetzen und sich überlegt, "was die beste Variante wäre". Am 11. Mai 2018 hätten sich die Mordgedanken des Schülers "manifestiert".

Das Mädchen spielte mit dem kleinen Bruder auf der Playstation, der 16-Jährige gab ihr danach ein Eis, ehe er sie - wie die Staatsanwältin ausführte - "mit den Händen am Hals gepackt und gewürgt hat". Die Siebenjährige habe gehustet, der Angeklagte habe darauf "beschlossen, ihr den Hals abzuschneiden", sagte die Staatsanwältin. Daher habe er das Mädchen ins Badezimmer bugsiert, in die Dusche gestellt, aus der Küche ein Messer geholt, das Mädchen mit der linken Hand fixiert und mit der rechten Hand "Sägebewegungen" mit dem Messer ausgeführt. Ein Halsschnitt hätte zum Tod geführt.

Laut Verteidigerin Hirschbrich sei ihr Mandat hingegen psychisch schwer krank. "Er kann Recht von Unrecht nicht unterscheiden. Er wusste nicht, was er tut."

Robert K. bekennt sich schuldig: "Ich höre Stimmen"

"Ich bekenne mich schuldig", sagte der angeklagte 16-Jährige eingangs seiner Befragung. "Ich mochte Hadish. Sie war nett."

In klaren Worten schilderte er, Stimmen hätten ihm die Bluttat befohlen. "Eine Stimme im Kopf hat gesagt, dass ich sie würgen soll. Das tat ich auch. Ich habe weitere Anweisungen gehört. Dass ich sie in die Duschkabine bringen soll, ein Messer holen und zustechen soll." Weitere Details wollte er nicht preisgeben: "Ich kann es nicht noch näher schildern. Ich kann mich nicht erinnern, den Kopf ganz abgetrennt zu haben."

Nach der Tötung hätte ein Freund an der Tür geläutet. Er habe aufgemacht, der Freund habe die Leiche gesehen. "Er hatte Angst und war geschockt", berichtete der 16-Jährige. Er habe dann alleine die Leiche gewaschen und "in ein Sackerl gepackt und entsorgt". Die Stimme habe ihm gesagt: "In den Müll."

Die Stimmen höre er schon seit Jahren, meinte der Angeklagte. Einmal sei er mit einem Messer vor dem Bett seines Vaters gestanden und sei zum Zustechen aufgefordert worden: "Ich konnte mich dagegen wehren." Die Stimmen höre er "den ganzen Tag".

Darüber hinaus nehme er auch Personen wahr, die - wie er nach seiner Festnahme erfahren habe - in Wahrheit gar nicht existieren. In diesem Zusammenhang erwähnte er eine 15-Jährige namens Antonia Weißenberg: "Ich dachte, die war real. Die war immer da, wenn ich sie gebraucht habe." "Ich dachte, ich wäre ein Mafioso. Bis ich Tabletten bekam."

Die Frage eines Geschworenen, ob er die Stimmen auch jetzt höre, bejahte der 16-Jährige: "Sie sagen mir, dass ich mich beruhigen soll, dass es nicht so schlimm ist."

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Gerichtsmediziner und Sachverständige am Wort

Auf die Befragung des Angeklagten folgte Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp. "Das Mädchen war kopfüber im Müllsack, mit einem tiefen Halsschnitt. Die Halswirbelsäule war durchtrennt." An der Leiche wurden darüber hinaus weitere Verletzungen festgestellt. Klupp erwähnte unter anderem einen oberflächlichen Stich unterhalb der rechten Brustwarze. Hinweise auf ein sexuell motivierte Tat hätten sich aus der Obduktion aber nicht ergeben, sagte der Sachverständige.

Die Sachverständige Dorothea Stella-Kaiser konnte keine akute Schizophrenie feststellen. Hadish Mutter glaubt dem Anklagten die Stimmen nicht: "Das hätte jemand gemerkt".

Es sei etwas Außergewöhnliches und Seltenes, dass so eine Straftat von einem Täter in diesem Alter begangen werden, so Gutachter Hofmann. Laut Hofmann habe Robert K. das Kopfgeld gegen ihn große Angst bereitet. "Um mich wäre es ja schade", soll er gesagt haben. Auf die Frage des beisitzenden Richters Andreas Hautz, ob er den Angekalgten als Simulanten halte, sagt Hofmann: "Es ist möglich, psychatrische Krankheiten vorzutäuschen." Von Stimmen habe Robert K. erst bei der dritten Begutachtung erzählt.

Hofmann bescheinigte dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt und damit grundsätzlich Schuldfähigkeit. Damit könnte - sollten die Geschworenen Hofmann folgen - der 16-Jährige wegen Mordes bestraft werden, wofür das Jugendgerichtsgesetz einen Strafrahmen von bis zu 15 Jahren vorsieht.

Nach 14.00 Uhr kommt der zweite, vom Gericht bestellte psychiatrische Sachverständige zu Wort. Der Linzer Kinder- und Jugendneuropsychiater Werner Gerstl geht im Unterschied zu Hofmann davon aus, dass beim Angeklagten im Tatzeitpunkt Zurechnungsfähigkeit nicht mehr gegeben war. Gerstl. "Robert K. hat sehr wohl über Stimmen berichtet. Seine Mutter empfahl ihm, mehr zu essen. Der Vater tat es als Einbildung ab." Der Angeklagte habe Angst vor Keimen und Käfern, "er wusch seine Hände 50 Mal täglich".

Seine Schizophrenie habe sich zwischen Jänner und der Tat entwickelt, so Gerstl weiter. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie zur Tat schon voll ausgebrochen, sei groß. Laut Gerstl ist der Angeklagte somit nicht zurechnungsfähig.

Richter Daniel Rechenmacher stellt fest: "Der Inhalt ihrer Gutachten geht diametral auseinander."

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Gutachten widersprechen sich

Da der 16-Jährige die inkriminierten Tathandlungen nach seiner Festnahme grundsätzlich nicht bestritten hat, dürften zwei einander widersprechende psychiatrische Gutachten im Mittelpunkt der Verhandlung stehen. Während der eine Sachverständige dem Burschen Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt bescheinigt, geht der andere davon aus, dass eine seit längerem unbehandelte Schizophrenie des Musterschülers handlungsbestimmend war. In diesem Fall wäre der Angeklagte nicht schuldfähig, könnte somit nicht bestraft werden, sondern wäre allenfalls - dies zeitlich unbegrenzt - in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen.