Sex im Häfen: Vergewaltigungs-Verdacht steht im Raum
Von Nihad Amara
Richter Andreas Böhm schenkt dem Angeklagten reinen Wein ein. „Bei Ihnen wird es um Jahre gehen.“ Jahre, die der suspendierte Justizwachebeamte selbst im Gefängnis verbringen könnte.
Am Freitag begann die Aufarbeitung einer Affäre in der Justizanstalt Josefstadt. Ein Justizwachebeamter, Spitzname Elvis, soll sich inhaftierte Frauen wie in einem Selbstbedienungsladen geholt haben. Zwei vertrauten sich später einer Beamtin an. Sie sprachen von Belohnungen für Sex, von Druck und von Übergriffen. Zweieinhalb Jahre vergingen, bis Elvis suspendiert wurde. Die späte Reaktion brachte auch Justizminister Wolfgang Brandstetter in Erklärungsnot.
"Freiwilliger Sex"
Den Ermittlungen im Schneckentempo folgte ein milder Strafantrag. Die Staatsanwältin sprach von „freiwilligem Sex“ und warf dem Beamten den „Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses“ gegenüber zwei Insassinnen vor. „Er hat seine Stellung missbraucht“, betonte die Staatsanwältin am Freitag. Strafrahmen: maximal drei Jahre Haft. Der Angeklagte leugnete: „Ich habe nichts gemacht, Herr Rat. Sein Verteidiger Michael Vallender sprach von „Gerede, das zu dieser Anklage geführt hat“.
Zwar lasen sowohl der Richter als auch die Staatsanwältin ein- und denselben Akt – unterschiedlicher könnten die Schlüsse daraus aber nicht sein. Noch bevor Zeugen am Wort waren, sprach Böhm davon, als Einzelrichter nicht zuständig zu sein: „Wenn sich der Akt durch die Zeugen nur im Ansatz bestätigt, besteht der Verdacht der Vergewaltigung.“
Elvis dürfte unter weiblichen Insassinnen ein gewisser Ruf vorausgeeilt sein. Es ging um Busserl, Griffe ans Gesäß, Gefälligkeiten und das Versprechen, nach der Haft einen Job aufstellen zu können. Strafrechtlich relevant sei dies nicht, sagte Richter Böhm. „Aber auffällig. Es gibt mehrere Damen, die sagen, dass Sie einen – sagen wir mal – ungewöhnlichen Umgang pflegten“.
In Elvis Wahrnehmung trug es sich stets anders zu – oder es seien Ausnahmen gewesen. „Ein Busserl auf die Wange habe ich als menschliche Floskel gesehen“. Oder: Es sei damals „ein guter Tag gewesen.“
Kornspitz, Cola und Kokain
Zu sexuellem Kontakt soll es in zwei Fällen gekommen sein. Eine der beiden betroffenen Frauen, die im Sommer 2012 inhaftiert war, sagte als Zeugin aus. Offenkundig wurde dabei, wie leicht Justizwache-Beamte über Insassinnen verfügen können, die offenbar auch dafür eingesetzt werden, die Toiletten im Männertrakt zu putzen.
In einfachen Sätzen schilderte sie die bedrückenden Szenen. „Er hat mich an den Schulter hinuntergedrückt.“ Kurz verlor sie den roten Faden. „Ganz ruhig, fassen Sie sich“, munterte sie Böhm auf. Die Frau sprach von einer Angststarre. An echte Gegenwehr habe sie nicht gedacht. „Da drinnen ist es schwierig. Man ist froh, dass man arbeiten gehen kann. Man hat eigentlich keine Wahl.“ Außerdem zähle die Aussage eines Beamten immer mehr. „Wenn ich mich gewehrt hätte, hätte es vielleicht geheißen, dass ich ihn attackiert habe.“ Ein zweiter Übergriff ereignete sich an einem Wochenende. „Mach’ dick locker“, soll der Beschuldigte gesagt haben. Zuvor habe er ihr einen Kornspitz, Cola und Kokain angeboten.
Die Privatbeteiligten-Vertreterin sprach von „menschenverachtenden“ Vorfällen. „Eines demokratischen Rechtsstaats ist das nicht würdig.“ Verteidiger Vallender hatte angekündigt, zwei Beweisanträge zu stellen: Die Einvernahme von Justizwachebeamten, die „an besagtem Wochenende anwesend waren“. Und er will die Örtlichkeit besichtigen. „Dort sind 300 bis 400 Leute“. Nichts bleibe unentdeckt.
Böhm fällte ein Unzuständigkeitsurteil. Es sei „zwingend“ notwendig, dass ein Schöffensenat die Vorwürfe der Vergewaltigung beziehungsweise geschlechtlichen Nötigung prüft.