Chronik/Wien

Erste Siedler in der Seestadt Aspern

Wir bekommen hier viel mehr für unser Geld als in der Innenstadt", meint Silja Topfstedt. Die 31-jährige Mutter steht mit ihrer acht Monate alten Tochter Luisa strahlend auf dem neuen Balkon. Hinter den beiden beherrschen noch Baumaschinen und Arbeiter das Bild.

Frau Topfstedt gehört zu den 50 ersten Bewohnern der Seestadt Aspern. Am Donnerstag hieß sie Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP) vor Journalisten und Fotografen willkommen. Als Begrüßungsgeschenk gab’s ein Seestadt-Sackerl mit Stadtteilplan, praktischem Maßband und Honig fürs erste Frühstück im neuen Eigenheim.

Bis dato wohnte Topfstedt mit Mann und Kind in Margareten, doch der Wunsch ins Grüne zu ziehen, lockte die kleine Familie an den östlichen Rand Wiens. Noch im September bezieht sie eine von 18 Eigentumswohnungen der Baugruppe JAspern (zehn davon sind gefördert).

Dass es in der Nachbarschaft baustellenbedingt laut und schmutzig ist, Baugitter die zum Teil gatschigen Wege säumen, es noch kaum Infrastruktur gibt und bis dato nur jede zweite U2 bis zur Seestadt fährt, stört Topfstedt nicht weiter. 30 Minuten Fahrzeit vom Karlsplatz nimmt sie auf die leichte Schulter. Bis in rund einem Jahr die ersten Geschäfte einziehen, versorgt zumindest ein temporärer Greißler die Anrainer.

Konzept überzeugte

Bis Jahresende werden 420 Wohneinheiten fertig, rund 900 Bewohner übersiedeln bis dahin nach Aspern.

Bereits in zwei Wochen zieht Barbara Goesch (64) mit ihrer Lebensgefährtin und deren Mutter in die Seestadt. Die gebürtige Berlinerin hat nicht so sehr der Preis, sondern eher das Wohn- und Mobilitätskonzept gelockt. Dazu zählt sie Ideen wie die ausschließlich weiblichen Straßennamen oder die Betonung von Fahrrad und Öffis als Nahverkehrsmittel.

"Man hat das Gefühl, hier will man etwas besser machen." Trotzdem ist sie froh, ein Haus mit unverbaubarem Blick auf den neu angelegten Hannah-Arendt-Park erwischt zu haben. "Da drüben mag’ ich nicht wohnen", meint Goesch und deutet auf die eng angelegten Reihen von Hochhäusern zur Rechten ihres zukünftigen Zuhauses.

In einer Hinsicht bleibt sie skeptisch: "Dass das mit dem versprochenen Ärztezentrum nebenan schnell geht, da mach’ ich mir gar keine Illusionen." (Vis-à-vis sollen unter anderem ein praktischer Arzt und die Polizeistation einziehen.)

Bereits seit Jänner bereitet das Stadtteilmanagement den Einzug der ersten Bewohner vor. "Wir helfen quasi beim Bilden einer Community", erklärt Projektleiterin Wencke Hertzsch. Beim eigens eingerichteten Infopoint, nur wenige Gehminuten von der U2-Endstation entfernt, erhalten Interessierte alle relevanten Auskünfte.

Stolz

Unter den ersten Seestädtern befindet sich auch ein Stadtplaner, der selbst in die Entwicklung des neuen Stadtteils eingebunden war: Kurt Hofstetter (51) ist stolz darauf, dass seine private Baugruppe JAspern ein "so modernes, top gedämmtes Passivhaus im Zeit- und Budgetplan errichtet" hat.

Dass er selbst eines Tages hier herausziehen würde, hätte er sich anfangs nicht erträumt. "Aber", fügt er scherzend hinzu, "ich finde es okay, dass man das, was man verbrochen hat, auch selbst ausbadet."

(Autorin: Antonia Löffler)

Vergangenheit

2009 begann der Abriss der Rollbahn des ehemaligen Flugfelds Aspern. Auf dem Flughafenkomplex fanden ab 1957 auch Autorennen statt. In den 80ern siedelte sich General Motors mit einem Motorenwerk an, ab 1988 nützte der ARBÖ das Areal als Verkehrsübungsplatz.

Zukunft

Mit der Seestadt Aspern befindet sich eine der größten Baustellen Europas in der Donaustadt. Ende des Jahres sollen 900 Menschen hier wohnen. 2030 – wenn auf dem 240 Hektar großen Areal sämtliche 10.500 Wohnungen fertig sind – werden es rund 20.000 sein.