Chronik/Wien

Schießerei in Wien: "Sollte mich von dem Mädchen trennen, das ich liebe"

Mit gesenktem Kopf sitzt der jüngste der angeklagten Brüder am Freitag im Wiener Landesgericht im großen Schwurgerichtssaal vor dem Richter. Seine Nervosität ist ihm erst anzumerken, als er zu sprechen beginnt.

Es bricht regelrecht aus dem 22-Jährigen heraus, sobald der vorsitzende Richter den jungen Mann nach dem 7. Oktober des vergangenen Jahres befragt.

An diesem Tag kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Familien mit nordmazedonischen bzw. serbischen Wurzeln, die in einer wilden Schießerei in Floridsdorf gipfelte. Ab dem heutigen Freitag müssen sich die drei Brüder im Alter von 22, 25 und 29 Jahren sowie der 54-jährige Vater wegen versuchten Mordes und unbefugten Waffenbesitzes verantworten.

Faustschlag in der Stadthalle

Zuvor trafen sich die Söhne beider Familien bei einer Kampfsportveranstaltung in der Wiener Stadthalle. Ein Streit zwischen dem 22-Jährigen und dem 28-jährigen Sohn der anderen Familie eskalierte, der Jüngere Der 22-Jährige Der Vater konnte die Streithähne trennen. 

Der Frieden währte allerdings nur kurz, wie der Staatsanwalt am Freitag vor Gericht schilderte. "Während der Heimfahrt kam dann ein Anruf, dass man sich aussprechen wollte. Es wurde also ein Treffen vor dem Haus der anderen Familie in der Floridusgasse vereinbart."

Wild-West-Szenen in Floridsdorf

Hier kam es dann zu regelrechten Wild-West-Szenen. Der 54-jährige Vater - ein Bauunternehmer - und seine Söhne sollen mit den vier Kontrahenten auf offener Straße aneinandergeraten sein. Bei den vier Gegnern handelte es sich um drei Brüder im Alter von 24, 26 und 28 Jahren sowie einen 24-jährigen Verwandten. Laut den Verteidigern Rudolf Mayer und Manfred Arbacher-Stöger sei die Aggression von den Kontrahenten ausgegangen. 

Mit Fäusten sollen die Gegner dann auf einen der Angeklagten losgegangen sein. Einer der Brüder soll daraufhin ein Messer gezückt und einem Kontrahenten ins Gesäß und in den Oberschenkel gestochen haben.

Der jüngste Sohn zog daraufhin eine Pistole - die er aber nicht rechtmäßig besaß. "Ich wollte niemand töten, aber ich hab' das Gesicht meines Bruders gesehen, er war schon sehr blass. Da hab' ich geschossen", sagt der 22-Jährige aus. Er habe dabei aber keine lebenswichtigen Organe treffen wollen, deshalb habe er "nach unten gezielt".

Laut Anklage soll der jüngste Bruder drei der vier Kontrahenten getroffen haben, ein Schuss ging in den Rücken eines Gegners, einem anderen wurde durch das Becken geschossen. Auch der Vater soll schließlich zu seinem Colt gegriffen und um sich geschossen haben. Der 54-Jährige besaß die Waffe ebenso wie sein Sohn illegal.

Drei Männer lebensgefährlich verletzt

Waffen wurden bei den Männern der gegnerischen Familie keine gefunden. Der 22-jährige Angeklagte will aber ein Messer bei einem der Gegner gesehen haben. "Ich hatte Angst um mein Leben. Wir wollten es nicht eskalieren lassen. Ich habe erst die Pistole gezogen, als sie mich angegriffen haben", so der jüngste Bruder.  Geschossen habe er, nachdem er mit einem Faustschlag zu Boden befördert worden sei.

Auf die Frage, warum der Vater geschossen habe, antwortete dieser: "Lass ich mich umbringen? Soll ich mich mit 54 Jahren von Buben schlagen lassen?“

Am Ende der Auseinandersetzung lagen drei gegnerische Männer teilweise lebensgefährlich verletzt am Boden. "Der einzige Grund, warum wir hier heute wegen Mordversuchs verhandeln, liegt daran, dass die Opfer sehr viel Glück hatten. Ein Schuss traf ein Opfer nur einen Zentimeter neben der Hauptschlagader", sagte der Staatsanwalt.

Die Angeklagten verantworteten sich nach ihrer Festnahme mit Notwehr. "Ich bin unschuldig, was den Vorwurf des Mordversuchs betrifft, aber schuldig, was den illegalen Waffenbesitz angeht", sagte der 22-Jährige aus.

Ein von der Anklage behaupteter gemeinsam gefasster Tatplan sei „an den Haaren herbeigezogen“, sagte Verteidiger Arbacher-Stöger in dem Zusammenhang. „Wenn i wen umbringen will, red i net. Da geh i hin und stich zu oder schieß, bis die tot san“, gab der Anwalt zu bedenken. 

Hintergrund der Fehde mit der Familie, mit der man zuvor "jahrelange, freundschaftliche Verbindungen pflegte", sei eine Liebesbeziehung.

Liebesbriefe in die Justizanstalt

Der 22-Jährige habe sich in die Cousine der Brüder der anderen Familie verliebt. "Es ging von Anfang an um ein Mädchen. Die junge Frau schreibt meinem Mandanten auch jetzt noch in die Justizanstalt Briefe und er antwortet", schilderte Verteidiger Rudolf Mayer. 

Diese Liaison wurde von der anderen Familie nicht geduldet. "Seit Februar 2023 wurde ich von der Familie und deren Bekannten bedroht. In einer SMS stand, dass sie mich köpfen werden, wenn ich mich nicht trenne", sagte der 22-Jährige. Aus diesem Grund habe er sich auch die Waffe besorgt.

Die Verhandlung ist auf drei Tage anberaumt und soll am 24. Juni zu Ende gehen.