Rot-Grün: Verhandler unter Zeitdruck
Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Rot und Grün knirscht es mehr, als die Parteien nach außen zugeben wollen. Denn auch wenn einige Verhandlungsgruppen formal abgeschlossen wurden, die großen Brocken haben die Unterverhandler einfach ausgespart.
So gibt es beim Wahlrecht seit Tagen keine Bewegung. Dieses soll erst nächste Woche verhandelt werden. Keine Einigung gibt es auch bei den Inseraten. Die Grünen wollen das Budget für die Eigenwerbung der Stadt halbieren, die SPÖ blockt ab. Aber auch bei der Stadtstraße Aspern oder dem Lobautunnel gibt es keine Zustimmung der Grünen.
Umgekehrt sträubt sich die SPÖ gegen die grüne Idee, die Wiener Linien mit ihren 8500 Mitarbeitern der Kontrolle des roten Finanzressorts zu entreißen und in das Verkehrsressort einzuverleiben.
Sogar beim Thema Bildung sei "der große Wurf noch nicht da", wie aus Rathaus-Kreisen zu hören ist. Die Grünen wollen Wien zu einer europaweiten Modellregion für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen ausbauen. Doch obwohl die Idee auch den roten Vorstellungen entspricht, gibt es keine Einigung.
Zu allem Überdruss wurde auch noch bekannt, dass Häupl sich am Donnerstag mit ÖVP-Chef Gernot Blümel getroffen hat.
Erstes Leitprojekt
Noch wackeln die Koalitionsverhandlungen nicht. Denn es gibt auch einen ersten herzeigbaren Erfolg. Die rot-grünen Verhandler konnten sich darauf einigen, die Bauverfahren in Wien ordentlich zu beschleunigen. Zuletzt dauerten diese bei Großprojekte bis zu eineinhalb Jahren. Der Wiener Bürgermeister gab zuletzt vor, hier eine deutliche Beschleunigung zu erreichen, um in Wien zu einer beschäftigungswirksamen Bau-Offensive zu kommen. Es könnte dies der erste große Wurf der rot-grünen Koalition sein.
Um die offenen Streitpunkte zu lösen, wird die Zeit allerdings knapp. Denn bis kommenden Donnerstag sollen die Verhandlungen auch in der Runde der Chefverhandler abgeschlossen sein. Dabei wird es natürlich um die Finanzierung der gemeinsamen Vorhaben gehen. Am 14. November wollen die Grünen ihre Basis über das fertige Koalitionspaket abstimmen lassen. Da braucht Vassilakou vorzeigbare Ergebnisse, um nicht intern unter Druck zu geraten.
"Wenn sich beim Wahlrecht und beim Werbebudget gar nichts tut, oder die Grünen nur mit einem kleineren Ressort abgespeist werden, würde ich mich nicht vor die Landesversammlung hinstellen wollen", sagt ein Grüner.
Die SPÖ spielt deshalb auf Zeit. "Wenn Vassilakou bei der Versammlung unter Druck gerät, ist das nicht schlecht für uns", sagt ein Roter. Dazu passt das überraschende Treffen von Häupl und Blümel. Die Message ist klar: "Die Grünen sollen den Bogen nicht überspannen. Denn die 51 Mandate mit der ÖVP sind auch eine Mehrheit", sagt ein roter Verhandler.
Blümel selbst sieht das Treffen emotionslos. "Es war ein nettes Gespräch, in dem wir einige Dinge klargestellt haben." Über Inhalte wurde Stillschweigen vereinbart. Koalitionsangebot an Blümel gab es keines. "Sollte es mit den Grünen scheitern, sind wir professionell vorbereitet", sagt Blümel. Nachsatz: "Wir müssen aber nicht in eine Koalition."
Bei den Grünen sorgt Häupls Treffen mit dem ÖVP-Chef für Häme: "Den eigenen Genossen über jene Zeitung, in der man am meisten inseriert, auszurichten, dass man noch eine zweite Option hat – da ist man selbst bei ,House of Cards‘ eine Spur differenzierter."
Bei den Wiener Koalitionsverhandlungen wird noch nicht Linkswalzer getanzt. Vor dem Finale der Chefverhandler setzen die Grünen Michael Häupl noch einmal kräftig zu. Es sind Machtfragen, die für Knirschen im Rathausgebälk sorgen. Maria Vassilakous Wunsch nach einem zweiten Stadtratsposten, oder der Griff nach den Wiener Linien, macht die SPÖ nicht froh. Vassilakou braucht nach ihrem Rücktritt vom Rücktritt einen zählbaren Erfolg, will sie vor ihrer Basis bestehen.
Auch Häupl steht unter Erfolgsdruck. Im Wahlkampf hatte er die Probleme in Wien thematisiert. Nun muss er sein Regierungsprogramm der Lösungen auf den Tisch legen. Will Häupl den weiteren Aufstieg der FPÖ einbremsen, braucht er zugkräftige Leitprojekte, die einen Neubeginn in der Stadt signalisieren.
Die SPÖ hat noch ein Problem. Den 54 Rot-Grünen sitzen im Gemeinderat 46 Oppositionspolitiker gegenüber. Keine breite Mehrheit für schwierige Zeiten. Eine Streit-Koalition kann sich der Wiener Bürgermeister daher auch nicht leisten.