Wiens Psychiatrie bleibt ein Sorgenkind
Von Josef Gebhard
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist seit Jahren eine der großen Schwachstellen in der Wiener Gesundheitsversorgung. Weil es zu wenig Fachärzte und Behandlungsplätze in den Spitälern gibt, kommt es immer wieder zu heiklen Situationen. Zuletzt im Vorjahr, als ein Übergriff eines erwachsenen auf eine minderjährige Patientin im Otto-Wagner-Spital bekannt wurde. Mangels Kapazitäten waren beide auf derselben Station untergebracht (der KURIER berichtete).
Eine gewisse Entspannung der Lage soll nun die Erweiterung der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH bringen. Wegen der laut MedUni-Rektor Markus Müller „gravierenden Unterversorgung“ in diesem Fach wird jetzt ein Bauprojekt früher als geplant umgesetzt: Bis 2020 wird ein bestehendes Gebäude adaptiert und ausgebaut. Der neue Bereich für Kinder und Jugendliche wird eine Netto-Grundfläche von 9000 m² haben. Das entspricht einer Vergrößerung um das Dreifache.
Mehr Platz für Kinder
Somit entsteht auch Platz für Forschung und innovative Therapiemöglichkeiten wie zum Beispiel Neuro- und Biofeedback sowie ein Virtual-Reality-Labor, wie Klinikleiter Paul Plener erläutert. Insgesamt werden in die Neugestaltung 31,1 Millionen Euro investiert.
Die Zahl der Betten wird von derzeit 28 auf 30 bis 32 (stationär) bzw. von acht auf zehn (tagesklinisch) erhöht.
Das ist freilich nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Bis Ende des Jahres 2019, sofern das Krankenhaus Nord bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in Betrieb ist, wird es in Wien insgesamt 119 Betten geben. Laut dem „Regionalen Strukturplan Gesundheit“ sollten es aber 128 bis 208 sein.
Doch auch mit mehr Spitalsbetten ließen sich die Engpässe nicht gänzlich beheben, ist Neos-Gesundheitssprecher Stefan Gara überzeugt: „19 Kassenärzte stehen 300 Wahlärzten gegenüber. Und auch die Psychosozialen Dienste in Wien können die notwendigen Kapazitäten bei weitem nicht abdecken“, kritisiert der Gemeinderat.
Zu wenig Ärzte
Ein Ausbau der räumlichen Kapazitäten hilft zudem wenig, wenn das dafür nötige ärztliche Personal fehlt. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) spricht sich daher für eine Änderung der Ausbildungsmodalitäten aus: „Wir sind sehr eingeengt durch die Regel, dass ein Psychiater nur einen Psychiater ausbilden darf. Ziel ist es, dass der Schlüssel künftig eins zu vier ist.“
Erst damit ließe sich bis 2030 bei einem Ausbildungszyklus von sechs Jahren die geforderte Zahl der Kinderpsychiater in Wien von derzeit rund 70 auf 140 verdoppeln.