Chronik/Wien

55-Jähriger erwürgte seine todkranke Ehefrau: Es war kein Mord

Ein außergewöhnlicher Mordprozess ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht verhandelt worden. Ein 55-jähriger, bisher unbescholtener Mann musste sich vor Geschworenen verantworten, weil er am 24. Februar 2022 seine todkranke Ehefrau erwürgt hat. Die Frau litt an Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. „Ich wollte einfach, dass es zu Ende geht. Ich wollte, dass wir uns drüben wieder sehen“, sagte der Angeklagte.

Mittwochnachmittag fiel das Urteil: Sieben Jahre Haft - allerdings wegen Totschlags. Es ist noch nicht rechtskräftig. 

Im Ehebett neben der Frau liegend, habe ihn am Morgen ein Gedanke erfasst, als sie im Aufwachen begriffen war: „Mir war in dem Moment klar, das ist die Lösung für uns beide, dass wir uns im Jenseits wieder sehen. Dann hab' ich zugedrückt.“ Immer wieder kamen dem 55-Jährigen in seiner Einvernahme die Tränen, beim Plädoyer seiner Verteidigerin Astrid Wagner schluchzte er mehrfach deutlich hörbar. „Das war keine rationale Entscheidung. Es war eine Gefühlsexplosion, ausgelöst durch monatelange Überforderung“, meinte die Anwältin.

"Mit Leben noch nicht abgeschlossen"

Staatsanwältin Julia Kalmar sah das anders. Die 55 Jahre alte Frau sei zwar schwer krank gewesen, „aber sie hatte mit dem Leben noch nicht abgeschlossen. Sie hatte Hoffnung, den Krebs noch besiegen zu können.“ Die Ehefrau habe sich vor allem auf den Besuch ihrer in Salzburg wohnhaften Tochter und der eben ersten zur Welt gekommenen Enkeltochter gefreut.

„Es war eine sehr gute Ehe. Sie war die Frau meines Lebens“, schilderte der Angeklagte. Er hatte die gleich alte Frau am Arbeitsplatz kennen- und lieben gelernt. 1991 wurde standesamtlich geheiratet, im darauf folgenden Jahr wurde die Tochter geboren. Im Sommer 2021 traten bei der Frau plötzlich anhaltende Bauch- und Magenschmerzen auf. Zunächst wurde eine Gastritis vermutet, eine Koloskopie und eine Gastroskopie lieferten keine Hinweise auf eine ernsthafte, lebensbedrohliche Erkrankung. Aufgrund einer Gelbsucht wurde die Frau dann in ein Spital eingeliefert, eine eingehende Blutuntersuchung förderte dann die bereits weit fortgeschrittene Krebserkrankung zutage. „Da ist alles in uns zusammengebrochen. Es war entsetzlich“, berichtete der Angeklagte.

Paar ließ sich noch trauen

Er sei an sich „ein Problemlöser“, mit der neuen Situation aber überfordert und hilflos gewesen. Seine Frau habe die Palliativ-Chemotherapie „nicht gepackt. Es war entsetzlich für sie“. Ihre Schmerzen seien „brutalst“ gewesen. Er selbst habe sich infolge eines Erschöpfungssyndroms in den Krankenstand begeben müssen: „Ich hab' den Schmerz mitgespürt.“

Nachdem sich das Paar noch kirchlich trauen hatte lassen, sagte sich die Tochter auf einen zweiwöchigen Besuch mit der Enkelin an. „Der Druck, der auf dem Mann gelastet hat, ist dadurch immer stärker geworden“, meinte die Verteidigerin. Der 55-Jährige konnte sich nicht vorstellen, wie sich das Leben zu viert in seiner Zwei-Zimmer-Wohnung gestalten sollte. Er habe nicht mehr gewusst, „was ich tun soll“, räumte der Angeklagte ein. Im Rückblick würde er „alles anders machen. Ich würde mir Hilfe holen, ich würde mit Psychologen, mit Freunden reden“.

Nachdem er seine Frau getötet hatte, verübte der Mann einen Selbstmordversuch. Dann ließ er der Tochter einen Abschiedsbrief in Form einer E-Mail zukommen, die die 31-Jährige umgehend las. Sie führte ein fünfminütiges Telefonat mit dem Vater, das dann plötzlich abbrach. Weil er dann nicht mehr erreichbar war, verständigte die Tochter Rettung und Polizei. Die Einsatzkräfte brachen in weiterer Folge die Wohnung auf, was dem 55-Jährigen das Leben rettete. Für seine Ehefrau kam jede Hilfe zu spät.