Projekt "Le+O": "Ein Stück Wohlstand zurückgeben"
Von Bernhard Ichner
Die Leute kommen zwar erst um 10 Uhr Vormittag, doch bereits kurz nach 8 herrscht im Pfarrheim Hietzing reges Treiben. 45 freiwillige Caritas-Helfer bereiten wie jeden Montag in der Früh alles für die Lebensmittel-Ausgabe an Bedürftige vor. Bis zu 130 Personen – Menschen an der Armutsgrenze oder darunter – werden erwartet.
Es sind Leute wie Frühpensionist Richarde Kiechle, die sich im Rahmen des Caritas-Projekts "Le+O" ( Lebensmittel+Orientierung) frühmorgens um Essen anstellen. In erster Linie – darüber hinaus wird ihnen die Möglichkeit zu individuellen Beratungsgesprächen mit Sozialarbeitern geboten. So sollen sie lernen, selbst Verantwortung für den Ausstieg aus der Armutsfalle zu übernehmen.
Herr Kiechle wohnt in Penzing. Nach Jobs bei der Bahn und als Krankenpfleger musste er gesundheitsbedingt in Frühpension gehen. 913 Euro stehen ihm pro Monat für Miete, Gas, Strom und Heizung zur Verfügung. "Wenn ich gut wirtschafte, dann bleiben mir 20 Euro zum Leben", sagt er.
Symbolischer Preis
Die "Le+O"-Ausgaben (siehe Kasten unten) – mit 500 idealistischen Helfern die größte Freiwilligen-Aktion der Wiener Caritas – helfen Kiechle, über die Runden zu kommen. Hier bekommt er für den symbolischen Preis von 3,50 Euro ein Mal pro Woche rund zehn Kilo Ware. Lebensmittel vor allem, aber auch Hygieneartikel oder Waschpulver.
Bei den Produkten, die von den Freiwilligen abgeholt, sortiert und an die Bedürftigen verteilt werden, handelt es sich primär um abgelaufene Waren, die noch genießbar sind. Oder um unverkäufliche Überproduktionen. 70 Unternehmen mit mehr als 130 Filialen kooperieren zurzeit mit der Caritas.
Die Gründe, warum sich die Freiwilligen engagieren, sind ganz unterschiedlich. Einige, wie die lokale Organisatorin Vivianne Prager, sind Mitglieder der teilnehmenden Pfarren.
Der ehemalige Wirtschaftsprüfer Werner Lang (70) sieht sein Engagement beispielsweise als Teil eines Generationenvertrags an: "Was ich noch machen kann, stell’ ich der Jugend zur Verfügung." Dass manche der Bedürftigen in seinem Alter sind, ändert nichts an der Grundeinstellung. "Man sollte für seine Mitmenschen da sein, solang man fit ist."
Darum stellt sich Herr Lang als Fahrer zur Verfügung. Er holt die gespendeten Lebensmittel ab und bringt sie zur Ausgabe. Auch, wenn’s noch so kalt ist. "Ich mach’ die gröberen Arbeiten im Freien. Die mögen die Damen nicht so gern", sagt der Gentleman.
Zu besagten Damen gehört Elisabeth Mycinski. Die 81-jährige Ottakringerin leitete früher die Finanzabteilung im Bundesdenkmalamt. Doch anstatt in ihrem angestammten Metier arbeitet sie im Bereich der Lebensmittel-Verteilung – weil sie "mit Menschen umgehen" wollte. Ihre einzige Bedingung war, dass sie fürs Gebäck zuständig sein darf. "Denn Brot ist für mich Leben."
Sehr engagiert ist auch Flugbegleiterin Martina Kugi (48). "Wir leben mitten im Wohlstand. Da möchte man ein bissl was zurückgeben." Kugi fasziniert nicht zuletzt, dass es auch hier in Hietzing allem Anschein zum Trotz Armut gibt.
Pro Woche investieren die Helfer drei bis sechs Stunden in das "Le+O"-Projekt. Da 2015 fünf weitere Ausgabestellen – drei in Wien und zwei in Niederösterreich – geplant sind, suchen Caritas und KURIER 200 zusätzliche Freiwillige.
Bei Interesse: leoping@caritas-wienpong.at oder Telefon: 01/257 12 15
Das durch Spenden finanzierte Projekt „Le+O“ wurde 2009 von der Wiener Caritas und den beteiligten Pfarren ins Leben gerufen. In elf Ausgabestellen erhalten armutsgefährdete Menschen Lebensmittel wie Obst und Gemüse, Reis, Zucker, Teigwaren oder Konserven, aber auch Hygieneartikel und Waschpulver. Für knapp zehn Kilo Ausgabemenge bezahlen sie einen symbolischen Betrag von 3,50 Euro. Im vergangenen Jahr wurden rund 3800 Haushalte – zirka 11.000 Personen – unterstützt. Das waren etwa 36.000 Ausgaben, bei denen über die Pfarren 431 Tonnen Lebensmittel verteilt wurden, soziale Institutionen erhielten weitere 70 Tonnen.
Lesen Sie am 4. Jänner ein Interview mit Caritas-Präsident Michael Landau.
Zum 1. Teil der Serie "Auf den Teller statt in den Müll"