Chronik/Wien

Pro-Palästina-Protestcamp in Wien bleibt - trotz herber Kritik

"Buuuuh", schreit ein Mann lautstark, als er schnellen Schrittes am Pro-Palästina-Protestcamp im Alten AKH in Wien vorbeigeht. Währenddessen steht die junge Mutter Marina mit ihrem Baby im Kinderwagen bei den Protestierenden. Sie hat ihnen Kekse gebacken und Getränke vorbeigebracht. "Ich will das hier unterstützen. Erst heute liest man wieder in allen Zeitungen, wie schwierig es für die Menschen im Gazastreifen derzeit ist", sagt Marina dem KURIER. 

Diese Szene beschreibt treffend, wie das Protestcamp an der Uni Wien in der Öffentlichkeit aufgenommen wird - neben vielen Kritikern, gibt es auch Sympathisanten.

Am Montagabend hatten sich an die 100 Demonstranten nach einer Pro-Palästina-Demo im Votivpark entschlossen, im Alten AKH ein Protestcamp aufzuschlagen. Vorbild dafür sind Proteste an Unis in den USA und einigen europäischen Städten wie Berlin und Amsterdam.

Die Protestierenden sind laut ihren eigenen Angaben großteils Studenten und alle in ihren 20ern. Sie fordern, dass Universitäten alle Verbindungen zu Unternehmen auflösen, die zum Krieg in Palästina beitragen. Angemeldet hatten sie das Protestcamp in Wien bei der Polizei nicht. Die Einsatzkräfte waren am Montag deshalb sofort am Ort des Geschehens - passiert, ist seitens der Exekutive aber bisher nichts. Das hat mehrere Gründe. 

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Um das Camp räumen zu können, muss der Eigentümer, in dem Fall die Uni Wien, mit der Polizei in Abstimmung sein. Die Uni spricht sich im Moment klar gegen den Protest aus. "Antisemitismus und die Verharmlosung von Terror haben keinen Platz an der Universität Wien. Für sachliche Diskussionen, auch zu kontroversiellen Themen, bieten Universitäten ein kritisches Forum. Einseitige Darstellungen, Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus dagegen verurteilen wir in aller Schärfe", heißt es dazu auf der Webseite der Universität. Über dem Wunsch des Eigentümers steht aber das Versammlungsrecht.

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Unantastbares Recht

Das Versammlungsrecht ist nicht nur verfassungsmäßig extrem geschützt, sondern im Vergleich zu anderen Grundrechten sehr gut abgesichert. Man erinnere sich nur an die zahlreichen Coronademos trotz der strengen Locksdowns. 

Im konkreten Fall ist das Gelände der Universität Wien ein öffentlich zugänglicher Platz, und da die Demonstrierenden keine unmittelbaren Straftaten setzen, sticht das Versammlungsrecht hier de facto alle anderen Rechte. Laut Polizei wird die Versammlung derzeit laufend beobachtet. "Ein Auflösungsgrund besteht derzeit nicht, da bislang weder ein strafrechtliches Verhalten feststellbar war noch die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet ist", sagt Polizeisprecher Markus Dittrich. Strafbare Handlungen wären zum Beispiel das Zeigen verbotener Symbole oder das Skandieren bestimmter Ausrufe. 

Einer davon, der gerade von Pro-Palästina-Demonstranten viel genutzt wird, ist "Palestine will be free, from the river to the sea".

Umstrittene Parole

Die Parole besagt, dass Palästina vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer befreit werden solle. Sie zeigt den Wunsch nach einem Ende der israelischen „Besatzung“ des Gebietes, das die Palästinenser als ihr Land ansehen. In Israel sieht man den Ausruf als Forderung nach Auslöschung ihres Staates. Nachdem der Satz bei zahlreichen Pro-Palästina-Demos nach dem Hamas-Angriff im Oktober 2023 skandiert worden war, erging im Jänner ein Erlass von Justizministerin Alma Zadic, der die Parole als „Aufforderung bzw. Gutheißung terroristischer Straftaten“ (Paragraf 282a) ausweist. Ruft man sie öffentlich, kann man sich strafbar machen. 

Am Dienstagmorgen schien es, als würden die demonstrierenden Studenten bei der Uni Wien sich tunlichst davor hüten, strafbare Sprüche auf ihre Plakate zu schreiben. Und weil sie auch den Hochschulbetrieb nicht stören, dürfte es vorerst zu keiner Räumung kommen. Auch, weil die Polizei keine Eskalation provozieren will.