Chronik/Wien

Politik-Experte befürwortet Proporz-Ende

Der KURIER-Bericht, in dem SP-Klubchef Rudi Schicker forderte, nicht amtsführende Stadträte in Wien abzuschaffen (siehe Hintergrund), schlägt weiter hohe Wellen.

Kurz nach Bekanntwerden des Artikels meldete sich FP-Klubchef Johann Gudenus. Schicker träume von einem "Klein-Nordkorea im Rathaus", wolle die Opposition kalt stellen. Er schlägt tags darauf andere Sparmaßnahmen vor: "Jeder Stadtrat - auch der Bürgermeister - soll ein Ressort übernehmen. Dafür die Regierung verkleinern und Gagen kürzen." Auch auf Dienstwagen samt Chauffeur könne man verzichten, ebenso auf die vielen Auslandsreisen der SP-Stadträte. So könne auch die Umwelt geschont werden.

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Als einen "Sommerschmäh" bezeichnet ÖVP-Wien-Chefin Christine Marek den Vorstoß Schickers. Aber: "Reden kann man über alles. Die Kontrollrechte der Opposition dürfen aber nicht mit den Stadträten abgeschafft werden. "

Überraschend ist die Haltung des Koalitionspartners, könnten die Grünen doch im Falle eines Ganges zurück in die Opposition ebenfalls nicht mehr auf die Stadträte ohne Amt zurückgreifen. Die Rechte der Opposition dürften bei einer Reform nicht eingeschränkt werden, warnt daher Gemeinderätin Sigrid Pilz. Sie schlägt vor, eigene Kontroll-Stadträte einzuführen: "Je Partei könnte es einen solchen Posten geben."

Unzeitgemäß

Politologe Peter Filzmaier begrüßt die laufende Debatte. 1945 zurecht eingeführt, um alle Parteien einzubeziehen, sei die Abkehr vom Proporz heute richtig und wichtig.
So sitzen etwa in Oberösterreich alle vier Parteien (SP,VP, F und Grüne) dank Proporz in der Regierung. "Da gibt es im Landtag keine Opposition. Oder glauben Sie, ein Abgeordneter bringt einen Misstrauensantrag gegen die eigene Regierung ein?", fragt Filzmaier ironisch.

Mehr Kontrolle für die Opposition sei gut, oft fehlen dieser aber die Ressourcen, sie zu auszuüben. "Um einen Rechnungshofbericht zu verstehen, müssen sie Experte sein", sagt Filzmaier. Die Wiener Stadträte können auf ihre Magistrate zurückgreifen, auch der Opposition sollten Experten zur Verfügung gestellt werden.

Neben der formellen, wäre auch die gelebte Abschaffung des Proporz' wichtig: "In Tirol und Salzburg hat sich die Regierung nicht geändert, obwohl es Möglichkeiten gegeben hätte."
Von einer Verkleinerung der Landtage hält Filzmaier wenig. "Das ist eine populistische Debatte. Immerhin sollen die Landtagsabgeordneten möglichst viele Bevölkerungsgruppen vertreten. Schon jetzt gibt es zu wenige Vertreter für Frauen, Junge oder Minderheiten."

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