Chronik/Wien

Öffi-Ticket statt Garagenplatz

Christoph Chorherr spart selten mit Superlativen. Der Fahrradpapst der Wiener Grünen spricht von einer möglichen Zeitenwende und von einer Premiere im Wiener Wohnbau. Am Mittwoch stellte er eine neue „Bike-City“ für Wien-Liesing vor – ein gefördertes Wohnbauprojekt, das in den nächsten eineinhalb Jahren in der Perfektastraße errichtet wird und das fortan Pate für weitere Neubauten in ganz Wien sein soll.

Die künftigen Mieter bekommen pro Haushalt eine Jahresnetzkarte der Wiener Linien im ersten Jahr geschenkt. Außerdem wird ihnen ein Pool mit fünf Carsharing-Fahrzeugen und zehn E-Bikes gratis zur Verfügung stehen. Das Ziel: Die Mieter der 140 Wohnungen sollen, müssen aber nicht, auf ein eigenes Auto verzichten. „Immerhin steht das Auto eines Wieners 95 Prozent der Zeit still“, sagt der grüne Gemeinderat.

Was Chorherr allerdings nicht sagt: So neu ist das Projekt nicht. In der Leopoldstadt gibt es ebenfalls eine Bike-City, die zwar kleiner ist, aber ebenfalls über einen Carsharing-Pool verfügt.

Und wie soll das Projekt in Zeiten knapper Kassen finanziert werden? „Für die Stadt entstehen keine Kosten.“ Konkret soll der Bauträger – das Österreichische Siedlungswerk – schlicht weniger Garagenplätze errichten müssen. Normalerweise gilt ein gesetzlich festgeschriebenes Verhältnis von 1:1 – pro Wohnung muss eine Garagenplatz zur Verfügung stehen. „Durch eine Änderung der Widmung lautet der Schlüssel im konkreten Fall 1 zu 0,7.“ Die freiwerdenden Mittel – ein Bauträger zahlt je nach Lage bis zu 15.000 Euro für die Errichtung eines Stellplatzes – werden für das Carsharing und die E-Bikes aufgewendet.

Gespräche

In einem nächsten Schritt wollen die Grünen auch eine Änderung der Stellplatzverordnung erreichen. Gespräche mit der SPÖ werden bereits geführt. „Wir verhandeln derzeit mit allen Parteien über eine Veränderung des Schlüssels“, heißt es auch aus dem Büro von Stadtrat Michael Ludwig (SP). Wie dieser aussehen soll, sei noch unklar. „Die Änderung dürfte noch heuer kommen.“

Wiens erste Bike-City steht in der Leopoldstadt

Ganz so neu ist das Projekt, das Chorherr am Mittwoch vorgestellt hat, nicht. Insgesamt gibt es in Wien bereits zwei Bike-Citys. Eine davon befindet sich seit 2008 auf dem Nordbahnhofgelände. „Die Sache mit den Radabstellplätzen ist sehr praktisch“, sagt Mieterin Silvia Hipfinger. „Schade ist, dass aus der geplanten Radwerkstatt nichts wurde. Dort ist nun eine Apotheke drinnen.“ Ähnlich wie in dem neuen Projekt in Liesing können die Mieter auch am Nordbahnhof Carsharing-Autos nutzen. „Das wird gut angenommen.“ Wer lieber ein eigenes Auto hat, kann die Garage ebenfalls nutzen. In der „autofreien City“ in Floridsdorf mussten Mieter eine Erklärung abgeben, wonach sie aufs eigene Auto verzichten.