Öffi-Boom könnte teuer werden
Von Elias Natmessnig
Gabriele Pfandner arbeitet seit 22 Jahren im Kundenzentrum der Wiener Linien in Erdberg, doch so einen Ansturm hat sie selten erlebt. Es ist der erste offizielle Verkaufstag der neuen Jahreskarte für 365 Euro und die Menschen stehen bis vor die Tür des Foyers Schlange.
"Das letzte Mal war so viel los, als wir den Seniorentarif eingeführt haben", sagt Pfandner. "Wenn das so weitergeht, verkaufen wir heute allein in Erdberg 1000 neue Jahreskarten." Die zierliche Frau ist froh über die kurze Pause. Hinter ihr stapeln sich in weißen Regalen die Anträge, die von anderen Vorverkaufsstellen zur Bearbeitung geschickt wurden.
Die Kollegen an den Schaltern fertigen unterdessen die Gäste im Akkord ab: Formular entgegennehmen, Ausweis kontrollieren, Daten eingeben, Bild einschweißen. In drei Minuten ist die Jahreskarte fertig.
Davon ist Felix Ebert noch gut 20 Personen oder 60 Minuten entfernt. "Natürlich freut es mich, dass die Jahreskarte billiger ist, doch ich hätte sie so oder so gekauft", sagt Ebert. Er ist kürzlich aus Deutschland nach Wien gezogen, jetzt fährt er täglich quer durch die Stadt zur Arbeit – wie viele andere auch. Binnen weniger Tage stieg die Zahl der Jahreskartenbesitzer über die 400.000er-Grenze. Doch der Run auf die Öffis stellt die Stadt vor neue Herausforderungen.
Ausbau
37 Prozent der Wege in Wien werden bereits mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Längst sind viele U-Bahnen und Busse zu Stoßzeiten mehr als überfüllt. Trotzdem sollen im Jahr 2020 40 Prozent der Wege öffentlich zurückgelegt werden, lautet das ehrgeizige Ziel. "Um das zu erreichen, müssen noch weitere Investitionen getätigt werden", sagt SP-Verkehrssprecher Karlheinz Hora.
Derzeit haben die Wiener Linien vier Großprojekte: Die U1 und U2 werden verlängert, dazu kommen die Bim-Linien 25 und 26 und die Verlängerung der Linie D. Auch in Fahrzeuge wird investiert. So sollen auf der U6 bis 2014 fünf zusätzliche Züge fahren, die Linie 15A bekommt lange Gelenkbusse, die Ringlinie 1 fährt nur noch mit langen ULF-Zügen. Auch der 13 A braucht mehr Kapazitäten.
Längere Busse und mehr U-Bahnen bedeuten auch mehr Bedarf an Werkstätten, Garagen und Mitarbeitern. "Wenn wir das Ziel halten wollen, müssen weitere Investitionen getätigt werden", sagt Hora. "500 Millionen Euro, wenn das Angebot gehalten und ausgebaut werden soll." Aus den Ticketverkäufen wird das dank der Tarifsenkungen kaum zu bewerkstelligen sein.
Probleme, die Gabriele Pfandner in Erdberg zum Glück nicht lösen muss. Denn auf sie und ihre Kollegen warten noch 600 zusätzliche Bestellungen – jene, die am 1. Mai online gebucht wurden .