Chronik/Wien

Neuer Bim-Simulator macht Straßenbahnfahren sicherer

Dicke Regentropfen rinnen die Windschutzscheibe herunter, Straße und Gehsteige sind mit Schnee bedeckt, dichte Wolken verdunkeln den Himmel. Es sind absolut schwierige Fahrbedingungen, die den KURIER-Redakteur erwarten, als er sich im neuen Straßenbahn-Simulator der Wiener Linien ans Steuer setzt.

Am Donnerstag stellten Öffi-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) und Unternehmensgeschäftsführer Günter Steinbauer das neue Ausbildungsgerät für das Fahrdienstpersonal vor.

Während draußen die Sonne für frühlingshafte Temperaturen sorgt, drängen sich Pressevertreter in den Schulungsräumen der Wiener-Linien-Hauptwerkstätte in der Simmeringer Hauptstraße. Zwar wird angehendes Fahrdienstpersonal schon seit drei Jahren am Simulator ausgebildet, jetzt erfährt die Vorbereitung auf den Arbeitsalltag aber ein technisches Ubgrade: Ab Sommer können Bim-Fahrer dank neuester Technik noch gezielter auf das Verkehrsgeschehen vorbereitet werden.

Alle Inhalte anzeigen

Dabei lassen sich im neuen Simulator auch Szenarien durchspielen, die im Echtbetrieb nicht möglich wären. 55 verschiedene Verkehrsereignisse und etwa 40 Fahrzeugstörungen sind einprogrammiert.

Gefährliche Situationen durch unachtsame Fußgänger können im täuschend echt wirkenden Cockpit mit allen Bedienungselementen, die es im ULF (Ultra Low Floor - also in den herkömmlichen Niederflur-Straßenbahnen; Anm.) auch gibt, ebenso simuliert werden wie Schlechtwetter oder Funkgespräche mit der Leitstelle. Bei Fahrfehlern kann es auch zu Entgleisungen oder Unfällen kommen (wie Sima bei ihrer Probefahrt feststellen musste).

Zu schnell in die Kurve

Während andere Pressevertreter im Simulator eine gemütliche Sonntagsfahrt auf der sommerlichen Ringstraße erwartet, sieht der KURIER-Redakteur also eine regenverschmierte Windschutzscheibe. Erst die Betätigung des Scheibenwischers macht die Sicht auf das grauweiße Winter-Szenario möglich.

Unter Aufsicht von Chefinstruktor Michael Kowarz betätigt er sodann vorsichtig den Schaltknüppel, der die Straßenbahn langsam in Bewegung setzt. Zahlreiche Leuchtanzeigen, diverse Hebel und Pedale erfordern höchste Konzentration, auch der Tacho will beachtet werden. Nach Möglichkeit nicht zuletzt.

Die Anfahrt verläuft ruppig. Die erste Kurve nimmt der KURIER-Redakteur gleich einmal zu forsch: Die von Kowarz empfohlenen 15 km/h werden gekonnt ignoriert, von der vorgeschriebenen "Ruck- und Stoßlosigkeit" in der Kurve ist nichts zu spüren.

Und zwar im wahrsten Sinne: der bewegliche Fahrersitz im Bim-Simulator vermittelt ein realitätsnahes Fahrempfinden. Gut durchgerüttelt geht es also weiter zur nächsten Station. Auf den Monitoren, die dem Auszubildenden eine gestochen scharfe Simulation des Wiener Stadtbildes sowie des gesamten Verkehrsgeschehens liefert, sieht man bereits die Fahrgäste warten.

Alle Inhalte anzeigen

Lebensmüde Passantin

Kann eigentlich nicht mehr viel passieren, denkt sich der Redakteur. Nur ein paar Meter noch, anhalten, einen Hebel betätigen, um die Türen zu öffnen, Leute einsteigen lassen, aufs Freisignal warten, Türen zu und weiterfahren. Kinderspiel... Doch plötzlich tritt nur wenige Meter vor der Garnitur eine Frau ohne links und rechts zu schauen vom Straßenrand auf die Gleise. "Vorsicht!!!", zischt Herr Kowarz. Mit drei Rufzeichen. Der blitzschnelle Reflex des Fahrers und eine Notbremsung verhindern in letzter Sekunde, dass die Passantin unter die Räder gerät.

Also durchschnaufen und weiterfahren. Gemäß der Lautsprecherdurchsage fährt die Bim in der genannten Station ein. Jetzt alles schön der Reihe nach: Exakt beim Ende der grauen Bodenmarkierung halten, Türen auf, Leute einsteigen lassen, Türen zu, Abfa... - da ertönt erneut Herrn Kowarz' Stimme. Man möge doch bitte auch auf den elektronischen Rückspiegel achten. Während der KURIER-Redakteur die Fahrt bereits fortsetzen wollte, zwängen sich Fahrgäste noch hektisch durch die Schiebetüren.

Ohne einen Passanten überfahren oder einen Fahrgast mitgeschleift zu haben, beendet der Redakteur schließlich seine Premierenfahrt mit der Bim in der nächsten Station.

1,7 Millionen Euro für Ausbildung

Im Laufe des Jahres wird auch noch ein Simulator für die neue Flexity-Straßenbahn geliefert. Rund 1,7 Millionen Euro lassen sich die Wiener Linien das neue Ausbildungspaket kosten. In Anspruch nehmen werden es sowohl mehr als 160 Anfänger in 18 Grundschulungen, die heuer geplant sind, als auch rund 1500 Fahrdienstmitarbeiter in Wiederholungsschulungen.

So will das Unternehmen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen soll die Sicherheit der rund 800.000 täglichen Straßenbahn-Fahrgäste gewährleistet bleiben. Und zum anderen erhofft man sich durch Hightech-Angebote wie dieses eine Attraktivierung der Ausbildung und mehr Zulauf.