Neue Kampagne soll Wiens unbesetzte Lehrstellen füllen
Mehr als 2.300 offene Lehrstellen sind momentan in Wien ausgeschrieben. Zwar gibt es gleichzeitig - inklusive derjenigen in der überbetrieblichen Lehre - rund 7.000 Lehrstellensuchende. Die Wiener Betriebe klagen aber dennoch über weniger Bewerbungen auf die offenen Stellen als sonst üblich.
Stadt, Wirtschaftskammer und AMS wollen dem nun entgegentreten und haben auch bereits das Problem ausgemacht: mangelnde Information.
Durch die Corona-Pandemie sei der Fachkräftemangel ein wenig aus dem Fokus geraten, sagte Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer (WKW), am Montag bei einem gemeinsamen Betriebsbesuch mit Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Wiens AMS-Chefin Petra Draxl beim Ottakringer Elektroinstallationsunternehmen "Kaiserteam".
Auch dort sind aktuell zwei Lehrstellen unbesetzt. "Das wird uns alle wieder einholen", so Ruck.
Berufsorientierung fehlt
Durch das lange andauernde Distance Learning sei die Berufsorientierung in den Hintergrund getreten. Zudem würden den Betrieben die Umsteigerinnen und Umsteiger aus den berufsbildenden höheren und mittleren Schulen fehlen, die sonst etwa ein Viertel der Neo-Lehrlinge ausmachen.
Weil die Regeln für den Aufstieg in die nächste Schulstufe gelockert wurden, würden viele im Schulsystem verbleiben, obwohl sie besser für eine praktische Berufsausbildung geeignet wären.
Die WKW startet darum demnächst eine Online-Marketingkampagne, mit der Jugendliche auf offene Lehrstellen und den Karriereweg Lehre aufmerksam gemacht werden sollen. Der Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (WAFF) legt ebenso einen Schwerpunkt auf die Qualifizierung von Fachkräften. Und seitens des AMS Wien hat dieses Jahr die zentrale Anlaufstelle für Jugendliche und junge Erwachsene "U25" ihren Vollbetrieb aufgenommen.
Falsche Erwartungen
Dass es meistens an mangelnden Informationen scheitert, sagt auch Filip. Der 20-Jährige absolviert gerade das vierte Lehrjahr als Elektrotechniker bei "Kaiserteam" und macht in Kürze seinen Abschluss.
Er hat die Ausbildung also beinahe hinter sich, weiß aber dennoch um falsche Erwartungen. So habe sein kleiner Bruder gedacht, er müsse sein eigenes Werkzeug mitbringen, sollte er ebenfalls eine Lehre als Elektrotechniker beginnen. Es brauche mehr Informationen gegen Ende der Pflichtschulzeit, sagt Filip.
"Ich glaube auch, dass man in der Schule früher ansetzen sollte", bestätigt Filips Kollege Elias. Viele seiner Freunde würden "irgendwas" studieren, weil sie nicht wüssten, was sie wirklich interessiert.
Auch Elias selbst hat bis vor der Matura das Gymnasium besucht. Dann brach er ab, begann eine Lehre als Bürokaufmann und holt jetzt neben der Ausbildung seine Matura an der Abendschule nach. "Man muss die Leute viel früher darauf hinweisen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt", sagt er.
Schnupperlehre ausbauen
"Wir sind seit einiger Zeit mit unseren Fachgruppen in den Schulen unterwegs, weil man sich eben genau hier jenen vorstellen kann, die vor der Berufsentscheidung stehen", sagt auch Kammerpräsident Ruck.
Die Rückmeldungen würden die Aussagen von Filip und Elias bestätigen: Viele wüssten nicht, was sie sich unter einer Lehre konkret vorzustellen haben. Ruck plädiert daher unter anderem für einen Ausbau der Schnupperlehre.
Stadtrat Hanke will gleichzeitig das Image der Lehre bei den Eltern verbessern, denn: "Eine Lehre ist die beste Chance, lebenslang einen guten Job zu haben." Stärker zu vermitteln, dass eine Lehre eine Ausbildung und nicht nur ein Türöffner in die Arbeitswelt sei, ist auch AMS-Chefin Draxl ein Anliegen.
Image der Mittelschule verbessern
Am Image zu arbeiten, fordert auch "Kaiserteam"-Geschäftsführerin Elisabeth Kühas - jedoch das Image der Mittelschule. Diese müsse wieder "mehr Achtung bekommen", sagt sie. Heute scheine es so zu sein, dass in den Mittelschulen nur mehr die landen, die nicht gut Deutsch können.
"Ich würde mein österreichisches Kind nicht in die Mittelschule geben", sagt sie. Sie selbst habe vor ihrer Lehre eine Hauptschule besucht, ihre 13-jährige Tochter habe sie aber in ein Gymnasium geschickt.
"Und da fängt das Problem an", so Kühas. Denn die Mittelschule sei die "Basis", aus der viele der künftigen Lehrlinge kommen würden.