Chronik/Wien

Nebenbuhler den Hals aufgeschlitzt: Prozess um Mordversuch in Wien

"Er hat mich töten wollen unter Heimtücke", hat ein 38-jähriger Mann am Dienstag am Wiener Landesgericht erklärt. Der zweite Freund seiner Lebensgefährtin habe ihm unter dem Vorwand, sich mit einer Umarmung von ihm verabschieden zu wollen, die Klinge eines Messers über den Hals gezogen - "mit einem Grinsen im Gesicht", wie der Zeuge betonte. Der um sieben Jahre jüngere Mann musste sich wegen versuchten Mordes vor Geschworenen verantworten. Er bekannte sich "nicht schuldig".

Angeklagte streitet Vorwürfe ab

Der Angeklagte versicherte dem Gericht, er habe den anderen Mann nicht angerührt, geschweige angegriffen. Auf die Frage, wie dann dessen Verletzung - eine tiefe, drei Zentimeter lange Schnittwunde auf Höhe des Kehlkopfs - entstanden sei, erwiderte der 31-Jährige: "Keine Ahnung. Maximal dass er es sich selber zugefügt hat." Er könne sich vorstellen, dass der 38-Jährige sich selbst verletzt habe, "um mich loszuwerden".

Fest steht, dass die beiden Männer gleichzeitig eine intime Beziehung zu einer 26 Jahre alten Frau hatten, wobei der Ältere nichts davon wusste, dass es in deren Leben einen zweiten Mann gab. Der 31-Jährige ging wiederum davon aus, dass sich die Frau am Ende für ihn entscheiden würde bzw. bereits entschieden hatte. Der 38-Jährige, der die Wienerin im August 2021 über Facebook kennen gelernt hatte, war wenig später von Deutschland nach Wien gezogen  und bei der 26-Jährigen in Simmering eingezogen.

Treffen zu dritt

Am 8. November 2021 kam es in ihrer Wohnung zu einem abendlichen Treffen zu dritt. Vor Gericht behaupteten der Angeklagte und die Frau, dieses wäre nett und harmonisch verlaufen, während es der 38-Jährige als "schrecklich" bezeichnete. Er habe bis zu diesem Zeitpunkt "nullkommagarnicht den Verdacht gehabt, dass zwischen den beiden etwas ist. Mein Glaube war, dass er ein alter Schulfreund ist und sie sich um ihn kümmert", gab der 38-Jährige zu Protokoll.

Der 31-Jährige war erst ein halbes Jahr zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er eine dreijährige Freiheitsstrafe verbüßt hatte, weil er einem Kontrahenten - auch damals war es um eine Frau gegangen - in den Hals gestochen hatte. Während des Treffens mit seiner nunmehrigen Freundin habe er den Nebenbuhler "aus der Welt schaffen wollen", hatte die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung erklärt. Dass die Frau einen zweiten Partner hatte, "hat dem Angeklagten nicht gefallen. Er wollte die Frau für sich allein haben. Er war nicht in der Lage, seine Eifersucht im Zaum zu halten".

"Etwas war im Busch"

Das abendliche Beisammensein der drei dürfte sich irgendwann atmosphärisch doch verdüstert haben, räumten auch der Angeklagte und die 26-Jährige ein. Der andere Mann sei "still" geworden und habe "komisch geschaut", erfuhren die Geschworenen von den beiden. Dem 38-Jährigen wiederum dürfte gedämmert haben, dass neben ihm auf der Couch nicht eine alte Schulbekanntschaft seiner Freundin saß: "Ich habe intuitiv gespürt, dass etwas im Argen liegt, dass etwas im Busch ist."

Nach 23.00 Uhr verließen die Frau und der 31-Jährige kurz die Wohnung, um den Hund der 26-Jährigen äußerln zu führen. Ein paar Minuten später stand der 31-Jährige wieder in der Tür, vorgeblich, um sich "ordentlich von mir verabschieden zu wollen", wie der 38-Jährige dem Gericht darlegte.

Der Angeklagte behauptete, der Deutsche sei aufgesprungen und habe die Wohnung verlassen, nachdem er diese betreten hatte. Der 38-Jährige erklärte dagegen, es sei ihm gelungen, nach dem ersten Schnitt in den Hals den Angreifer abzuwehren: "Sonst wäre mehr passiert. Ich hatte Todesangst." Indem er den Couchtisch in Richtung des deutlich kräftigeren Mannes schob, sei ihm die Flucht aus der Wohnung gelungen. Auf der Straße habe er zehn Minuten mit aufgeschlitztem Hals und stark blutend um Hilfe gesucht, ehe er einer Passantin begegnete. Diese habe die Rettung und die Polizei verständigt: "Ich hatte Todesangst." Wo sich seine Freundin befand, sei ihm völlig unklar gewesen.

Die Wunde des Mannes wurde in einem Spital versorgt, wo sich die Verletzung zum Glück als nicht lebensbedrohlich herausstellte. Der 38-Jährige konnte bereits einige Stunden später das Krankenhaus verlassen. Er kehrte in die Wohnung der 26-Jährigen zurück, die zunächst der Polizei erklärte, der 31-Jährige habe ihr beim Spaziergang mit dem Hund den Wohnungsschlüssel entwendet und sei ohne ihr Wissen in die Wohnung zurückgekehrt.

Frau gab Angeklagtem Wohnungsschlüssel

Davon rückte die Frau nun mit ihrer Aussage vor Gericht ab. Sie habe unten auf der Straße den 31-Jährigen gebeten, in die Wohnung rauf zu schauen, weil sie sich Sorgen um den Deutschen gemacht habe. Der sei "komisch drauf gewesen", habe "nicht gut ausgeschaut". "Ich wollte, dass er frische Luft schnappt", stellte die Zeugin fest. Sie habe dem Angeklagten daher die Schlüssel zu ihrer Wohnung gegeben: "Er sollte ihn runterholen."

Dass der Angeklagte ihrem zweiten Freund in den Hals gestochen habe, könne sie sich nicht vorstellen: "Ich glaube nicht, dass er es war." Sie glaube vielmehr, der 38-Jährige wollen dem Angeklagten "eins reinwürgen". Auf Nachfrage der vorsitzenden Richterin, ob sie von einer Selbstverletzung ausgehe, meinte die 26-Jährige ausweichend: "Es geht in meinen Kopf nicht rein, dass man das selber macht."

Zu der Dreiecksbeziehung merkte sie an, sie habe dem 38-Jährigen gegenüber ihre Beziehung zum 31-Jährigen verheimlicht: "Ich nehme aber an, dass er es vermutet hat." Dem Jüngeren gegenüber sei sie dagegen offen gewesen. Ihr "Plan" sei gewesen, mit dem Älteren Schluss zu machen. Dass dies noch nicht so weit war, sei dem 31-Jährigen "natürlich nicht egal" gewesen: "Aber er hat mir dafür alle Zeit der Welt gelassen."

31-Jährige wurde festgenommen

Unmittelbar nach dem Schnitt in den Hals war der 31-Jährige festgenommen worden. Das Landesgericht lehnte in weiterer Folge aber die Verhängung der U-Haft ab - durchaus überraschend, im Hinblick auf sein in strafrechtlicher Hinsicht einschlägig getrübtes Vorleben wäre Tatbegehungsgefahr nahe gelegen. Die Staatsanwaltschaft legte daher auch Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts ein und bekam Recht. Das Oberlandesgericht (OLG) leistete der Beschwerde Folge, seit 24. Dezember sitzt der 31-Jährige in U-Haft.

Zu diesem Zeitpunkt war er mit der 26-Jährigen fix und offenbar ohne Nebenbuhler liiert, wie die Frau dem Gericht erklärte. Der 38 Jahre alte Mann habe am Tag nach dem Angriff auf seinen Hals "seine Sachen gepackt und war weg". Als dem Deutschen, der als letzter Zeuge vernommen wurde, die Aussagen des Angeklagten und seiner Ex-Freundin nahe gebracht wurden, erklärte dieser: "Man möchte das Gericht glauben machen, dass ich mir wegen einer Frau, mit der ich drei Monate zusammen war, und wegen einem Mann, den ich insgesamt drei Mal gesehen habe, selbst eine Verletzung zufüge."

Mit dem Urteil dürfte am Dienstagabend zu rechnen sein. Neben einer Verurteilung zu einer zehn- bis zwanzigjährigen Freiheitsstrafe droht dem Angeklagten die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Gerichtspsychiater Peter Hofmann stuft ihn zwar als zurechnungsfähig ein, hat ihm aber eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bescheinigt, die weitere Straftaten mit schweren Folgen befürchten lässt, sollte es keine haftbegleitende Therapie geben. Diese wäre im Maßnahmenvollzug gewährleistet.