Naturschutz: Wien bekämpft den Götterbaum
Von Bernhard Ichner
Wenn Biologen über Probleme mit Aliens berichten, haben sie nicht zwangsweise Halluzinationen. Gemeint sind damit Neobiota – also gebietsfremde Pflanzen (Neophyten) oder Tierarten (Neozoen) –, die durch menschliches Zutun von anderen Kontinenten zu uns gelangt sind. Die durch sie verursachten wirtschaftlichen Schäden sind schon so groß, dass die EU 2015 eine Richtlinie zur Bekämpfung solcher Arten verabschiedete. Davon betroffen sind jeweils 23 Neophyten und Neozoen (siehe unten). Nicht auf der Liste steht ausgerechnet jener Einwanderer, der in Österreichs Wäldern das größte Problem darstellt: der Götterbaum.
Mit unkonventionellen Mitteln versucht die Stadt Wien nun, dem unerwünschten Gast in der Lobau, im Laaer Wald oder im Liesinger Natura-2000-Gebiet Herr zu werden. Im Lainzer Tiergarten hat man ihn bereits so gut wie eliminiert.
Wurzelbrut
Ursprünglich war der Laubbaum in China beheimatet, wo er unauffällig vor sich hin vegetierte. Bis er ab Mitte des 18. Jahrhunderts als Zierpflanze auch in österreichischen Parks angepflanzt wurde. Zwar überlebten viele Exemplare die harten Winter hierzulande nicht. Mittlerweile hat sich der Götterbaum aber akklimatisiert und beschäftigt millionenfach die heimischen Forstbetriebe.
Denn zum einen überwuchern die rasch wachsenden Bäume benachbarte Pflanzen, indem sie ihnen Platz, Licht und Nährstoffe rauben. Und zum anderen sondern sie über die Wurzeln Stoffe ab, die das Wachstum ihrer Nachbarn hemmen. So schädigen sie zum Leidwesen von Holzproduzenten etwa ganze heimische Eichenwälder.
Sie zu fällen sei aber kontraproduktiv, sagt Alexander Mrkvicka, Biosphärenpark-Koordinator beim Forstbetrieb der Stadt (MA49). Denn das würde die sogenannte Wurzelbrut sogar noch fördern. Aus den Wurzeln sprießen dann also noch mehr Bäumchen als ohnehin schon. Dass ein großer Götterbaum zudem bis zu einer Million Samen pro Jahr hervorbringt, die vom Wind kilometerweit verbreitet werden, macht die Ausgangslage auch nicht einfacher.
Ob der besonderen Situation greift die Stadt also zu ungewöhnlichen Methoden. So reißen Traktoren junge Bäume samt der Wurzeln aus, während man älteren Exemplaren mit Hilfe der Wissenschaft zu Leibe rückt: In einem Forschungsprojekt der BOKU wird den Stämmen ein Pilz injiziert, gegen den nur der Götterbaum allergisch ist. Die Sporen verstopfen seine Wasserbahnen und lassen ihn binnen eines halben Jahres absterben.
Dies geschehe auch im Nationalpark, wo per se eigentlich jeder Eingriff unerwünscht sei, erläutern Karin Büchl-Krammerstädter, Chefin der Wiener Umweltschutzabteilung (MA22), und Forstdirektor Andreas Januskovecz. „Täten wir das nicht, würde der Götterbaum das Gesamtsystem gefährden“, betont Letzterer. „Dann gäbe es in fünf Jahren nur mehr Götterbäume.“
Goldschakal, Bisamratte und andere Aliens
Von den 23 Pflanzenarten, die die EU als Problem erachtet, kommen fast alle in Österreich vor – allerdings ist es einigen hier zu trocken, weshalb diese nicht als problematisch eingestuft werden. Bei den Tierarten sieht das anders aus: Etwa die Hälfte der EU-weit gelisteten Neozoen wurde auch schon hierzulande dokumentiert.
So zum Beispiel der früher für Pelztierfarmen gefangene Goldschakal. Das leicht mit einem Fuchs verwechselbare Tier sei aber nicht gefährlich und werde deshalb nicht gejagt, wie Wiens Forstdirektor Andreas Januskovecz ausführt.
Ganz im Gegensatz zu einst eingeschlepptem Jagdwild wie Mufflon oder Damwild. Dieses stelle eine Nahrungskonkurrenz für heimische Arten dar und schädige massiv junge Bäume. Darum wird es sukzessive entfernt.
Für Probleme sorgt beispielsweise auch die ursprünglich als Pelztier gezüchtete Bisamratte, die zum einen Ufer durch ihre Höhlen destabilisiert und andererseits jene Kleintiere frisst, die für die Selbstreinigung von Gewässern nötig wären.
Der Tierhandel bescherte uns zudem die Nordamerikanische Schmuckschildkröte, die als effizienter Räuber heimische Arten verdrängt.
Einen Überblick über die pflanzlichen und tierischen Aliens in Wien gibt eine Ausstellung im Besucherzentrum des Lainzer Tiergartens, die noch bis Mitte April bei freiem Eintritt zu sehen ist.