Nach Raubserie: Nächtlicher Begleitschutz im Grätzl
Von Nihad Amara
Da oben ist es passiert." Wirtin Ruth Oberwinkler, 52, streckt im Schanigarten den Arm in Richtung Davidgasse, die Köpfe ihrer Gäste folgen ihrem Zeigefinger. Einen Steinwurf weiter schlug am Karfreitag ein Räuber zum vierten Mal zu. Es ist eine unheimliche Serie in einem überschaubaren Grätzl in Wien-Favoriten. "Meine weiblichen Gäste", sagt die Wirtin, "lasse ich nach der Sperrstunde nicht alleine nach Hause gehen." Die rüstige Gastronomin selbst beansprucht Personenschutz – von ihrem Lebensgefährten. "Sicher ist sicher."
In vier Straßen, auf einem Stadtplan gerade mal eine Daumenbreite voneinander entfernt, ereigneten sich seit 23. März die Vorfälle (Grafik unten). Immer suchte sich der unbekannte Täter Frauen aus, zuletzt ein 13-jähriges Mädchen; immer schlug er nachts von hinten mit einem harten Gegenstand zu. Während er mit der Handtasche flüchtete, erlitten die Opfer schwere, in einem Fall lebensgefährliche Kopfverletzungen. Das Motiv könnte nur vordergründig die Beute, also Handtaschen mit Bargeld und Mobiltelefonen, sein. Den Täter könnte "Machtausübung" gegenüber Frauen antreiben, erklärte Psychiater Reinhard Haller bereits dem KURIER.
Marinkovic mied es Dienstagnacht, alleine heimzugehen. "Zwei Freunde kamen mit", erzählt sie. "Sicher fühle ich mich nicht mehr." Von abendlichen und nächtlichen Begleitdiensten durch Freunde, Partner oder Nachbarn erzählen die Bewohner. Rita Toth, 44, will ihren kleinen Terrier abends nur mehr mit ihrem Mann ausführen: "Das überlegen wir gerade."
Den Rat, sich begleiten zu lassen, hat die Polizei offiziell ausgegeben. In der als anonym gescholtenen Stadt scheint das bei einigen Bewohnern gut zu funktionieren.
"Keine Panik"
Es geht in diesem Fall wie so oft bei Fahndungen um die Frage, was berechtigte Information und was Panikmache ist. "Die Intention der Wiener Polizei ist es nicht, Panik oder Angst zu erzeugen", betont Polizeisprecher Hahslinger. Die Exekutive habe lediglich Hinweise, wie man sich verhalten soll, ausgegeben. Dazu zählt es auch, aufmerksam seinen Heimweg zu bestreiten. Von einer "Warnung" will Hahslinger in keinem Fall sprechen. "So weit sind wir noch nicht."
Der Verdächtige soll 1,80 Meter groß, zwischen 20 und 30 Jahre alt und bei allen Taten dunkel gekleidet gewesen sein. Sonst weiß man nichts – fast nichts. Nur, wie es eine Passantin ihrer Freundin erklärt, dass er "ein Feigling" sei.
Sachdienliche Hinweise: Tel. 01-31310/33800