Mutmaßlicher Doppelmörder: Nachbarn nahmen Verwesungsgeruch wahr
Im Fall des Mannes, der seit sieben Monaten als möglicher Doppelmörder in Wien in U-Haft sitzt und gegen den in Kürze Anklage erhoben werden dürfte, haben APA-Recherchen weitere Details ergeben. Bevor am 25. Oktober 2021 die Leiche eines 43-jährigen Mannes in der Wohnung des 52-Jährigen in Penzing gefunden wurde, hatten Nachbarn schon die Polizei wegen Verwesungsgeruchs alarmiert.
Die Beamten rochen dann allerdings nichts Verdächtiges, die Wohnung wurde nicht durchsucht.
Die Landespolizeidirektion bestätigte auf APA-Anfrage, dass die Polizei an die Adresse des Verdächtigen gerufen worden war. Der 52-Jährige sei auch angetroffen worden. Der gemeldete Leichengeruch „konnte von den Beamten jedoch nicht wahrgenommen werden“, betonte die Pressestelle der Polizei. Für eine Durchsuchung der Wohnung habe „zu diesem Zeitpunkt keine rechtliche Grundlage bestanden“.
In der Wohnung befand sich allerdings die Leiche eines 43-Jährigen, den - so jedenfalls die Verdachtslage - der 52-Jährige bereits am 30. September getötet haben soll, nachdem er sich mit diesem auf einer schwulen Datingplattform zu einem Sex-Treffen verabredet hatte. Er soll dem Mann eine Überdosis Liquid Ecstasy intravenös in den linken Arm verabreicht und aus Sicht der Staatsanwaltschaft dabei zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt haben.
Leben neben einem Toten
Dass die Polizei bei ihm war, dürfte den 52-Jährigen aber nervös gemacht haben, hatte er doch nach aktuellem Ermittlungsstand bereits dreieinhalb Wochen neben einem Toten in seiner Wohnung gelebt. Drei Stunden später suchte der 52-Jährige von sich aus eine Polizeidienststelle auf und meldete die Leiche. Nach seiner Festnahme erklärte der 52-Jährige, er und der 43-Jährige hätten „Slamming“ betrieben, also zwecks zusätzlichem Lustgewinn intravenös psychoaktive Substanzen konsumiert. Er habe versucht, beim 43-Jährigen „eine Vene zu finden“.
Daraufhin schrillten bei Kriminalisten die Alarmglocken, denn schon am 14. Mai 2021 war in der Wohnung des 52-Jährigen ein Toter gefunden worden, wobei damals von keinem bedenklichen Todesfall ausgegangen war. Auch mit diesem soll sich der Verdächtige ein Sex-Treffen ausgemacht haben - mittlerweile steht fest, dass bei einer toxikologischen Untersuchung der Leiche Spuren von GHB (Gammahydroxybuttersäure, Anm.) gefunden wurden, woraus sich Liquid Ecstasy zusammensetzt. Ein Gutachten ergab, dass der Tote den Wirkstoff in einem Ausmaß aufgenommen hatte, der einer Vergiftung gleichkam. Kausal für das Ableben war eine dadurch bewirkte Sauerstoffunterversorgung. Auffällig: Diese Leiche wies ebenso wie der viereinhalb Monate später zu Tode gekommene 43-Jährige eine Einstichstelle am linken Ellenbogen auf.
Diebstahl nach Mord?
Der Doppelmordverdächtige, für den die Unschuldsvermutung gilt, soll eines der Opfer auch noch post mortem bestohlen haben, indem er sich dessen Schlüsselbund aneignete und in die fremde Wohnung ging. Dort soll er sich Wertsachen - darunter einen Fernseher - angeeignet haben. Einen dritten Mann soll der 52-Jährige bei einem Date im Juni 2021 mit einer chemisch hergestellten psychoaktiven Substanz außer Gefecht gesetzt haben. Dieser überlebte, die Staatsanwaltschaft ermittelt zu diesem Fall wegen schweren Raubes.
Der Vermutung, es könnte neben den drei bekannten Fällen weitere mögliche Opfer des 52-Jährigen geben, war seitens der Strafverfolgungsbehörden nachgegangen worden. Laut Staatsanwaltschaft Wien konnten dabei keine weiteren Opfer ermittelt werden. Auch der Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten (WASt) sind keine darüber hinausgehenden Verdachtsfälle bekannt. Es hätten sich keine Betroffenen oder besorgte Angehörige gemeldet, meinte Wolfgang Wilhelm, Leiter der WASt, im Gespräch mit der APA. Wilhelm betonte, man habe grundsätzlich einen „sehr, sehr guten Draht zur Polizei“ und hätte wohl auch von dieser Seite von weiteren potenziellen Opfern erfahren.
Der erfahrene Gerichtsmediziner Christian Reiter gibt allerdings zu bedenken, dass Liquid Ecstasy nur kurze Zeit im Körper nachzuweisen ist. Bei Blut- und Harnuntersuchungen sei die Substanz nur ein bis zwei Tage nach der Verabreichung nachweisbar, erläuterte der Experte auf APA-Anfrage. Bei Leichen sei GHB grundsätzlich nur mehr „sehr schwer“ festzustellen. Wer den Verdacht hat, er könnte unwissentlich bzw. unwillentlich unter K.o.-Tropfen gesetzt worden sein, „sollte sich daher rasch auf eine Polizeidienstelle oder eine Krankenstation begeben“, empfiehlt Reiter.
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