Chronik/Wien

Muslimin in U-Bahn attackiert

Eine 37-jährige Wienerin saß am vergangenen Samstag kurz nach 15 Uhr in der gesteckt vollen U3, als ihr eine kräftige Mittvierzigerin unvermittelt ins Gesicht schlug. Die Polizei geht von der Attacke einer "verwirrten Frau" aus, in der islamischen Gemeinde haben viele dagegen ein Deja-vu. Denn seit 22. August ist Zeliha Cicek bereits die dritte Muslimin, die in Wien tätlich angegriffen wurde. In sozialen Netzwerken ist die Aufregung groß, viele sprechen von einem erneuten rassistischen Vorfall.

Die türkischstämmige Volks- und Hauptschullehrerin kann sich die Attacke nicht erklären. "Ich habe gerade mit meiner Schwester telefoniert, als mich die Frau von schräg vis-à-vis laut auf Englisch anredete", schildert die dreifache Mutter. "Als es mir zu viel geworden ist, hab’ ich ihr gesagt, dass sie ruhig auch Deutsch mit mir reden kann. Da stand sie plötzlich auf und schlug mir ins Gesicht. Mein Handy ist mir runtergefallen und zerbrochen. Ich bin komplett unter Schock gestanden."

Einem englischen Augenzeugen, der Cicek zu Hilfe kam, zerkratzte die Unbekannte das Gesicht. Am Stephansplatz stieg die Angreiferin aus. Obwohl Cicek mehrfach schrie, sie sei geschlagen worden und jemand möge die Frau aufhalten, gelang es dieser unerkannt zu entkommen. Einen verwirrten oder alkoholisierten Eindruck habe sie nicht gemacht, meint Cicek. "Der Engländer meinte aber, sie habe offensichtlich ein Problem mit mir gehabt. Sprich: mit meinem Kopftuch."

Von der Täterin fehlt bisher jede Spur – genau so wie bei jenem Vorfall, als in der Favoritenstraße vor Kurzem zwei ältere Damen mit Kopftuch attackiert wurden (siehe Bericht unten). Bei diesem Vorfall hatte es die Polizei nicht besonders eilig. Die Einvernahmen fanden erst Tage später statt.

Da Muslime im Alltag oft Diskriminierung erfahren, es in Österreich aber "wenig gesichertes Datenmaterial gebe", richtet die Islamische Glaubensgemeinschaft nun eine Doku-Stelle ein. Ziel ist eine systematische Erfassung aller religiös motivierter Vorfälle, erklärt Medienreferentin Carla Amina Baghajati. Man wolle aber nicht nur Negatives dokumentieren, sondern auch Beispiele für Zivilcourage sammeln.

Einen Mangel an Sensibilität seitens der Exekutive sieht Baghajati jedoch nicht.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner warnte gegenüber dem KURIER ausdrücklich "vor Hetzerei und Aufwiegelei durch Populisten. Sie machen sich mitschuldig, wenn es zu Übergriffen auf Unschuldige kommt".

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Auf dem Weg zum Morgengebet hat Yusuf Citak am Dienstag rechte Schmierereien an der Moschee in Telfs entdeckt. Um 4 Uhr 22 hatte ein Unbekannter, wie berichtet, Hakenkreuze auf das Minarett und das Gebetshaus des türkisch-islamischen Kulturvereins ATIB in der Tiroler Gemeinde gesprüht. "Es ist sehr traurig, dass so etwas passiert. Wir sind Menschen und leben miteinander", sagt ATIB-Vereinsobmann Citak.

Der Verfassungsschutz ermittelt und ist derzeit mit den Spurenauswertungen beschäftigt. Der Täter ist auf einer Videoaufnahme zu sehen, allerdings nicht zu erkennen. "Die Person war vermummt. Darum glaube ich, dass die Tat geplant war und derjenige genau gewusst hat, was er da tut", vermutet Ahmet Demir, Integrationssprecher der Tiroler Grünen.

Der Vandalenakt sorgt in den sozialen Medien für Aufregung, vor allem innerhalb der muslimischen Gemeinde. "Solche rassistischen Übergriffe dürfen nicht totgeschwiegen werden. Politik und Medien müssen das aufgreifen", fordert Demir. In den vergangenen Jahren habe es bereits Anschläge auf Tiroler Moscheen in Jenbach, Kufstein und Schwaz gegeben.

Prozess

Ein "Österreich ohne Minarette" – dafür machte sich in ein 33-jähriger Burgenländer in einem Facebook-Blog stark. Weil der Beschuldigte gegen Muslime gehetzt und sie in menschenverachtender Weise beschimpft haben soll, wurde er am Freitag am Landesgericht Eisenstadt – nicht rechtskräftig – zu fünf Monaten bedingter Haft verurteilt.

Der 33-Jährige soll im Blog "Ja! Österreich ohne Minarette!" unter anderem Muslime als "moslemisches Gesindel" beschimpft haben. In einem Eintrag war laut Strafantrag auch vom "Muslvolk, das hier auf unsere Kosten lebt und nur züchtet wie die Ratten" die Rede. Der Tatbestand der Verhetzung erfordere, dass jemand gegen eine religiöse Gemeinschaft oder gegen ein Volk hetze. "Das ist in diesem Fall absolut der Fall gewesen", so der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Einen Vorfall gab es auch auf der Wiener Favoritenstraße. Donnerstagnachmittag wurden eine 84-jährige gebürtige Türkin und eine 71-jährige Frau attackiert.

Im Zuge des Streits trat der unbekannte Mann auf die ältere der Damen ein und brachte sie zu Sturz – sie wurde dabei leicht verletzt. Die muslimische Jugend spricht von einem rassistischen Übergriff, der Täter rief demnach: "Schleicht euch in eure Heimat! Wir hassen euch." Die Polizei untersucht derzeit diese Angaben.