Mordprozess ohne Leiche: Staatsanwaltschaft Wien bekämpft Freispruch
Der am vergangenen Donnerstag am Wiener Landesgericht erfolgte Freispruch für den Witwer im Mordprozess um die seit Anfang Dezember 2005 vermisste Elisabeth G. ist nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft Wien hat am Montag dagegen Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, wie Behördensprecherin Nina Bussek auf APA-Anfrage mitteilte. Das Rechtsmittel muss - möglicherweise noch im heurigen Jahr - der Oberste Gerichtshof (OGH) behandeln.
Der Ehemann der verschwundenen und für tot erklärten Architektin war nach viertägiger Verhandlung von acht Geschworenen einstimmig vom Vorwurf freigesprochen worden, die Frau getötet und die Leiche an einem unbekannten Ort abgelegt zu haben. Unmittelbar im Anschluss wurde der 65-Jährige nach rund 15-monatiger U-Haft wieder auf freien Fuß gesetzt.
„Ich habe die Elisabeth nicht getötet. Ich habe zu hundert Prozent ein reines Gewissen“, hatte der Pensionist dem Gericht versichert.
Architektin seit Dezember 2005 verschwunden
Von der Architektin fehlt seit 6. Dezember 2005 jede Spur. Sie hatte drei Monate vor ihrem Verschwinden nach Beziehungsproblemen die Scheidung eingereicht, war aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und hatte sich eine andere Unterkunft gesucht. Wenige Stunden, bevor die damals 31-Jährige von der Bildfläche verschwand, hatte sie den Angeklagten aufgesucht, um Sachen abzuholen.
Die Staatsanwältin zeigte sich überzeugt, dass ihr Mann sie zwischen 16.02 Uhr - zu diesem Zeitpunkt hatte die Frau ein Telefonat mit ihrem Vater beendet - und 17.43 Uhr - um diese Zeit tätigte der Angeklagte eine Bankomat-Behebung - getötet haben muss.
"Tatverdacht erhärtet"
Die Anklage fußte vor allem auf dem Abschlussbericht der Cold Case-Gruppe, die im September 2020 in der Causa die zuvor bereits zwei Mal eingestellten Ermittlungen wieder aufgenommen hatte. Eine Blutspur in der Wohnung des Ehemanns sei seinerzeit „nicht erschöpfend untersucht worden“, zudem habe man die vorhandenen Rufdaten „einer grafischen Analyse unterzogen“. Die gewonnenen Ergebnisse hätten den Tatverdacht erhärtet und zur Festnahme des Mannes geführt, hieß es seitens des Bundeskriminalamts.
Die nähere, mit einer technisch zeitgemäßen Methode durchgeführte DNA-Untersuchung einer am Holzboden in der Wohnküche zutage gekommenen Blutspur bestätigte allerdings nur das, was der Angeklagte zuvor dazu schon von sich aus gesagt hatte. Er gab an, seine Frau hätte sich irgendwann verletzt und an der Hand geblutet, er habe sie verbunden, dabei sei Blut zu Boden getropft.
Diese Darstellung wurde durch das neu eingeholte DNA-Gutachten nicht widerlegt. Der Expertise zufolge handelte es sich bei dem Fleck mit einem Durchmesser von 12,5 Zentimeter um eine Mischspur mit den biologischen Merkmalen der Vermissten und des Angeklagten.
Den Geschworenen reichte das und eine neue, um ein grafisches Bewegungsprofil angereicherte Rufdaten-Auswertung nicht. Der Freispruch fiel nach einer für ein Geschworenenverfahren ausgesprochen kurzen Beratungszeit.