Chronik/Wien

Ministerium vermisst 1000 Pflichtschullehrer

Es wirkt wie eine Retourkutsche: Zwei Tage, nachdem Wiener Pflichtschuldirektoren einen Boykott der Deutschklassen in Aussicht stellten, äußert man im Unterrichtsministerium einen Aufsehen erregenden Verdacht gegen die Stadt Wien. Von den mehr als 13.000 Wiener Lehrern, die vom Bund über den Finanzausgleich mit mehr als 70 Millionen Euro im Jahr finanziert werden, sei in etwa 1000 (errechneten) Fällen nicht klar, ob sie tatsächlich in der Klasse stehen. Es bestehe die Befürchtung, dass sie nicht unterrichten, sondern in der Verwaltung eingesetzt werden. Im Verhältnis zum angeblichen Ressourcenmangel, den man in Wien permanent beklage, zeige dies „durchaus große Spielräume“ auf.

Als Beispiel führt man im Ministerium eine Mitarbeiterin im Büro von Wiens Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer an. Diese sitze zwar auf einer Lehrer-Planstelle, beziehe also ein Lehrergehalt, erfülle offensichtlich aber Verwaltungsaufgaben.

Und noch etwas kommt dem Unterrichtsministerium komisch vor: In „etwa 30 Fällen“ tarne die Stadt Wien Schulsozialarbeiter mittels Sonderverträgen als Lehrer, um deren Finanzierung durch den Bund zu gewährleisten. „Damit verringert Wien aber seinen Lehrertopf, weil dieses Personal nicht unterrichtet“, betont man im Ministerium.

Vom Ministerium selbst genehmigt?

Im Büro des Wiener Bildungsstadtrates Jürgen Czernohorszky (SPÖ) sorgt die „ungeheuerliche“ Kritik aus dem Ressort von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann für einige Verwunderung. Auf KURIER-Anfrage erklärt man dort, es handle sich nicht um 30, sondern konkret um 27 Schulsozialarbeiter. Deren Einstufung als Sondervertragslehrer sei 2009 mit dem Unterrichtsministerium ausverhandelt worden und werde dort seither Jahr für Jahr aufs Neue genehmigt.

Davon meint man wiederum im Ministerium nichts zu wissen. Es liege „definitiv kein derartiges Schriftstück oder auch nur ein Ansuchen“ auf, beharrt man dort.

Im Büro Czernohorszky sowie im Wiener Stadtschulrat liegen die Genehmigungen für das Engagement von Sondervertragslehrern für „Soziales Lernen“ dagegen sehr wohl vor. Dort kann man auch den Verdacht, 1000 Lehrer würden für die Verwaltung zweckentfremdet, nicht nachvollziehen. Zum einen sei der Einsatz von Lehrpersonal für bestimmte pädagogisch-administrative Tätigkeiten nach §43 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes gesetzlich geregelt und übliche Praxis in Österreich, sagt Stadtschulratssprecher Matias Meissner. Zum anderen sei die Zahl aus der Luft gegriffen.

Tatsächlich seien Wien-weit derzeit 232 Lehrer im Gesamtausmaß von 75 Vollzeitposten für pädagogisch-administrative Tätigkeiten eingesetzt. Von den insgesamt derzeit in Wien beschäftigten Pflichtschullehrern seien 0,36 Prozent hauptsächlich administrativ tätig und 0,09 Prozent für den Stadtschulrat aktiv. Eine dieser 13 Lehrpersonen sei auch besagte Büromitarbeiterin.

Verzögerungen bei Planstellen

Apropos Lehrer-Planstellen: Dass diese für das kommende Schuljahr noch immer nicht bestätigt wurden, sorgt zurzeit für Anspannung in den Bundesländern. Im Unterrichtsministerium beruhigt man aber. Durch den Beschluss eines Doppelbudgets für 2018 und 2019 komme es im Vergleich zu den Vorjahren zwar zu Verzögerungen, heißt es in einem Informationsschreiben. Die Länder könnten aber „mit dem planen, was sie im laufenden Schuljahr bereits haben“, heißt es aus dem Ministerium. Freilich abzüglich des Integrationspakets. Dafür gebe es aber 440 zusätzliche Lehrer für Sprachfördermaßnahmen.