Chronik/Wien

Mehrjährige Haftstrafen nach Silvester-Krawallen in Wien

Drei junge Männer sind am Mittwoch von einem Schöffengericht schuldig gesprochen worden, weil sie für die Krawalle in der Silvesternacht 2020/2021 in Favoriten mitverantwortlich sein sollen. Sie sollen für völliges Chaos rund um den Reumannplatz gesorgt und u.a. Metallmistkübel mit Knallkörper gesprengt haben. Der 19-Jährige muss zwei Jahre, der 21- und der 22-Jährige je drei Jahre hinter Gitter. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

In der Nacht auf den 1. Jänner 2021 ist es im 10. Wiener Gemeindebezirk zu schweren Ausschreitungen kommen. Dutzende Menschen hinterließen eine Spur der Verwüstung. Neben den gesprengten Metallmistkübeln, wurden auch Schaufensterscheiben und Fensterscheiben in Wohnhäusern zerstört. Zwei der nun angeklagten Männer versuchten sogar, die Auslage eines Juweliers kaputt zu schlagen, um an Uhren im Wert von 40.000 Euro zu kommen.

Vorsätzliche Gefährdung durch Sprengmittel

Den drei Männern - zwei Syrern und einen im Libanon geborenen Staatenlosen - wurden zahlreiche Delikte - teilweise der Versuch - vorgeworfen, u.a. Sachbeschädigung, Diebstahl, Einbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung, Verstöße gegen das Waffengesetz sowie vorsätzliche Gefährdung durch Sprengmittel. Der letzte Vorwurf wog am schwersten, der Strafrahmen liegt bei ein bis zehn Jahren Haft. Alle drei befanden sich seit dem Vorfall in Untersuchungshaft. Sie sind in der Vergangenheit bereits wegen anderer Delikte vor Gericht gestanden. Bei einem Angeklagten wurden die in der Vergangenheit gefällten Urteile in der Höhe von insgesamt zehn Monaten widerrufen, bei den beiden anderen wurde die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert.

Die Krawalle mit einem Polizei-Großeinsatz in der Nacht auf 1. Jänner 2021 haben eine Sicherheitsdiskussion ausgelöst. Beamte wurden sogar mit Böllern der Kategorie F3 attackiert, die man nur verwenden darf, wenn man über einen Pyrotechnikausweis verfügt. Die Männer hätten "eine Spur der Verwüstung durch Favoriten gezogen", bezeichnete der Ankläger das Handeln der Beschuldigten zu Prozessbeginn. Es sei ihnen "einzig und allein nur darum gegangen, eine sinnlose Zerstörung in Wien zu verursachen", sagte der Staatsanwalt.

Gegenseitig mit Handy gefilmt

Dass bei diesen Detonationen von vorsätzlicher Gefahr durch Sprengmittel auszugehen ist, das zeigten mehrere Videos, so der Ankläger. Die jungen Männer hätten sich nämlich bei ihren Taten gegenseitig mit dem Handy gefilmt. Nur so sei man rasch auf die Verdächtigen gekommen. Bei einer dieser Sprengung wurde der Mistkübel so dermaßen zerfetzt, dass Teile eine Auslagenscheibe zerstörten und Fensterscheiben zerbarsten. Es grenze "an ein Wunder", das aufgrund der Vielzahl der Passanten in der Nähe - rund 40 bis 50 - niemand dabei verletzt wurde, sagte der Staatsanwalt.

Der 21-jährige soll sogar versucht haben, mit einem vom Metallmistkübel weggesprengten Teil das Schaufenster eines Juweliers einzuschlagen. Zunächst schob er sein Handeln auf die starke Beeinträchtigung durch Alkohol und Drogen. Wenig später gab er zu, er habe an die wertvollen Uhren gelangen wollen, um bei einem Mitangeklagten Schulden zu tilgen. Dieser machte sogar mit. "Die Auslage ist nicht so gebrochen, wie wir uns das vorgestellt haben", meinte der 21-Jährige. Er habe das nur wegen seiner rund 3.000 Euro Schulden gemacht und weil ihm und seinem gerade neugeborenen Sohn gedroht wurde.

Christbaum mit Benzin übergossen

Die Angeklagten bekannten sich größtenteils schuldig, jedoch redeten sich alle auf die ausgelassenen Silvester-Feierlichkeiten sowie ihren Alkohol- und Drogenkonsum aus. "Da habe ich einfach mitgemacht", meinte etwa der 21-Jährige. Er hat sogar Benzin in einer Plastikflasche mit einem Volumen von einem halben Liter auf den Reumannplatz mitgebracht. Die Flasche wurde später von der Polizei bei einem Christbaum entdeckt, der mit dem Benzin übergossen wurde. Angezündet wurde der Baum zum Glück nicht.

Der zweite Beschuldigte, der 19-jährige Freund des 21-Jährigen, meinte, man habe ihm Ecstasy ins Getränk gemischt. "Wir waren enthemmt, wir waren fröhlich", sagte er zur Schöffensenatsvorsitzenden Alexandra Skrdla. "Fakt ist, Sie haben alles zerstört dort", meinte die Richterin. Er gab zu, einen Mistkübel gesprengt zu haben, die Böller habe er von Leuten am Reumannplatz geschenkt bekommen. Er habe sie nicht besorgt.

Dass er diese Böller auch in den Eingang der Polizeiinspektion Keplergasse geworfen habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Auch habe er den Sprengkörper der Kategorie 3 nicht Richtung Beamte geschmissen. "Es war dunkel", rechtfertigte er sich. "Ich habe es auf den Boden geworfen, nicht auf Menschen." Nachdem im Gerichtssaal die Videos als Beweis vorgespielt wurden, legte er in Absprache mit seinem Anwalt ein Geständnis ab. "Bilder sagen mehr als tausend Worte", meinte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer.

Männer baten Republik um Verzeihung

Der dritte Angeklagte (22) wiederum berichtete, dass ihm der 19-Jährige und sein Bruder sehr wohl die Böller gegeben hätten, mit der Aufforderung sie zu zünden. Dass diese so eine enorme Sprengkraft haben, das habe er nicht gewusst. "Ich habe nicht gedacht, dass es so stark explodiert. Dass es so gravierend ist", meinte er. Allerdings bezeichnete er die Böller in der Verhandlung als "Dynamit", während der 19-Jährige von "Feuerwerkskörper für Spielende" sprach. Alle drei Männer entschuldigten sich am Ende der Verhandlung. Sie waren aus Kriegsgebieten geflüchtet und baten "die Republik Österreich um Verzeihung".