Liebe über Dating-Apps: Der richtige Swipe nach Wien
Von Anna Strobl
Ob gelangweilt auf der Couch, abends vorm Schlafen gehen oder am Rumblödeln mit Freunden: Auf Dating-Apps verbringen junge Menschen viel Zeit. Doch kann man dort wirklich die große Liebe finden?
Für Samantha Valencia ist die Antwort ein klares Ja. Im Sommer 2018 war die 26-Jährige auf Urlaub in Wien – und vertrieb sich zwischendurch die Zeit auf der App Tinder. Als die Ecuadorianerin schon längst wieder bei ihrer Familie in Italien war, ging die Nachricht ein: „It’s a Match“.
Es funkte auf Anhieb. Der Haken: Ihr Match Kevin lebt in Wien. Was nun? Über Wochen tauschten die beiden Nachrichten aus oder unterhielten sich über Video-Anrufe.
Kevin schwärmte bei Freunden, erzählte von Plänen, nach Pisa zu fliegen und seine Online-Liebe endlich kennenzulernen. Im August 2018 trafen sie sich schließlich persönlich und führten in Folge eine Fernbeziehung.
Wien als Endstation
Zwei Jahre später wartete Sami, wie Freunde sie nennen, erpicht darauf, dass sich die Grenzen von Italien nach Österreich öffnen. Der Covid-19-Lockdown machte es unmöglich, ihren Freund zu sehen. Im Mai 2020 war es endlich so weit: Mit zwei Koffern stand Sami um 4 Uhr morgens am Bahnhof. Diesmal sollte die Wien-Reise permanent sein.
Gut eingelebt
Seit vier Jahren lebt Sami nun in Wien mit ihrem Freund zusammen. Abgesehen von Kevin hat es ihr besonders die Kulturszene der Stadt angetan. „Ich besuche hier so viele verschiedene Tanzkurse. Es gibt kein vergleichbares Angebot in Ecuador oder Italien“, sagt sie. Was jedoch fehlt, ist ihre Familie: „Wir besuchen uns oft“.
Sogar jährliche Besuche ihrer Großeltern in Quito (Ecuador) sind stets eingeplant. Und wenn die Sehnsucht doch zu groß wird, ist die Familie nur eine Nachricht entfernt: „Mein Vater und ich amüsieren uns über die österreichische Interpretation von italienischen Speisen“, erzählt Sami. Ketchup auf der Pizza sei für sie aber zum Glück kein Trennungsgrund.
Von Vorarlberg nach Wien
Auch Ralph Rohner hat ein Tinder-Match vom Westen nach Wien geführt. Der gebürtige Vorarlberger übersiedelte 2017 – nur mit einem Rucksack ausgestattet – nach Wien. Die Partnerschaft war leider nicht von Dauer, dafür fand der 30-Jährige mit der Beziehung aus der Dating-App doch noch die große Liebe: seine Tochter Mia.
„Lange war ich kein echter Wiener, aber Vorarlberger war ich auch keiner mehr.“ Jetzt sei das anders: „Meine Tochter ist hier, mein Leben ist hier. Wenn nicht Wiener, dann weiß ich selbst nicht, was ich bin“, sagt er.
Dennoch vermisse er eines aus dem Westen: den guten Käse. Aber auch dafür hat der IT-Manager eine Lösung gefunden. Einmal im Monat erhält Ralph Rohner eine Käselieferung aus der Ex-Heimat.
Sehnsucht bekommt er auch nach Seen und Gebirge. „Sorry, Nussberg, aber das ist kein Vergleich zu Vorarlberg“, sagt er. Dennoch schätze er an Wien, dass man schnell raus in die Natur könne, aber genauso schnell in der Innenstadt seinen Tag verbringen kann.
Schmäh statt Grant
Selbst der berühmte Wiener Grant ist für den Ex-Vorarlberger kein Problem: „Der grantigste Wiener ist immer noch sehr zugänglich für einen Schmäh.“
Ein weitaus schwierigeres Thema sei die Sprache für ihn gewesen: „Es hat drei Jahre gedauert, bis ich den Zugang zu meiner Sprache gefunden habe, der sowohl verstanden wird, als auch für mich als ursprünglichen Vorarlberger noch authentisch ist.“ Als er Hochdeutsch gesprochen habe, hätte es sich komisch angefühlt.
Jetzt sei es ein Mix aus beiden Bundesländern, mit dem sowohl Schmäh als auch Grant bestens verstanden werden.
In den Westen zieht es ihn mittlerweile nur mehr selten. Zuletzt stand ein Weihnachtsbesuch mit der gesamten Patchwork-Familie an. Jetzt sei sein Lebensmittelpunkt Ottakring. Das soll auch so bleiben: „Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber wäre als in Wien.“