Chronik/Wien

Krankenhaus Nord: Eine Stadträtin „ohne Einfluss“

Allein die Zahl der wartenden Kamerateams im Rathaus lässt ahnen, dass diesmal ein wichtiger Zeuge in der U-Kommission Krankenhaus Nord befragt wird. Überpünktlich – und zumindest nach außen hin in blendender Laune – erscheint dann zehn Minuten vor 12 Uhr Sonja Wehsely. Von 2007 bis 2017 SPÖ-Gesundheitsstadträtin, ist sie eine der zentralen Figuren in dem aus dem Ruder gelaufenen Milliardenprojekt.

Was sie selbst allerdings nicht ganz so dramatisch sieht: „Das KH Nord ist ein Spital, das in der Weltklasse mitspielt, was die Patientenversorgung betrifft“, spricht sie in die am Eingang wartenden Kameras. Freilich: „Bauwirtschaft und Industrie sind nicht automatisch Freunde der öffentlichen Hand bei Großprojekten.“ Künftig müsse man sich von Anfang an besser aufstellen, um ihnen Paroli zu bieten. Einen Satz, den sie an diesem Tag noch mehrfach wiederholen sollte.

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Fragen nach ihrer eigenen Verantwortung lässt sie unbeantwortet und enteilt in den Sitzungssaal, um dort betont jovial eine ihrer Gegenspielerinnen zu begrüßen: ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec: „Lange nicht mehr gesehen, aber gleich wiedererkannt.“

In der Sitzung selbst ist die gute Laune rasch verflogen. Spätestens, als die Rede auf die ehemalige Assistentin von Udo Janßen (Ex-Chef des Krankenanstaltenverbunds, KAV) kommt. Die Ex-Funktionärin der VSStÖ (sozialistische Studentenorgansiation) gilt als enge Vertraute Wehselys. Zwischen ihr und Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr entbrennt eine skurrile Debatte, ob Janßen sie in der U-Kommission als „Polit-Offizier“ bezeichnet hat.

Janßen war es auch, der Wehsely zuletzt massiven politischen Einfluss zum Schaden des Projekts vorgeworfen hatte. Folgt man den Ausführungen Wehselys, war von alldem keine Spur.

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"Operative Verantwortung liegt nicht bei Stadträtin"

Vielmehr zeichnet die einst so machtbewusste Politikerin von sich selbst ein Bild als Stadträtin, die sich in das Projekt nicht eingemischt, vollends dem KAV-Management vertraut und seine Vorschläge nur noch abgesegnet hat. Sei es bei der Projektorganisation, bei der Wahl des Grundstücks oder bei der Entscheidung, das Projekt doch nicht gemeinsam mit privaten Partnern abzuwickeln. „Die operative Verantwortung liegt nicht bei der Stadträtin, dafür gibt es ein Management, das dafür bezahlt wird“, stellt sie klar. Vieles würde sie heute genauso entscheiden.

Nicht widerlegen konnte Wehsely jedenfalls den Vorwurf, die Öffentlichkeit erst spät von den Kostenüberschreitungen und Verzögerungen auf der Baustelle informiert zu haben. Diese waren spätestens mit dem Quartalsbericht der begleitenden Kontrolle im April 2014 offenkundig. Im Gesundheitsausschuss im März 2015 habe aber Wehsely noch betont, alles sei in Ordnung, wie Korosec der ehemaligen Stadträtin vorwirft. Wehselys Erklärung dafür: „Man kann Risiken erst dann öffentlich machen, wenn sie eingetreten sind.“ Alles andere hätte die Verhandlungssituation der Stadt gegenüber den Baufirmen massiv verschlechtert.

Die Neos wiederum brachten Wehselys überraschenden Abgang zu Siemens zur Sprache – ein Unternehmen, mit dem die Stadt in Wehselys Amtszeit Geschäfte gemacht hat. Wiederkehr sieht darin Unvereinbarkeiten, Wehsely spricht von Unterstellungen. Sie habe nie auf Vergaben Einfluss genommen oder Siemens als Stadträtin Vorteile zukommen lassen.

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Indes hat die U-Kommission beschlossen, die Aussagen des Ex-KAV-Managers Thomas Balazs und von Stephan Koller – einem damaligen Mitglied der Bewertungskommission – der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft weiterzuleiten. Im Zusammenhang mit Preissteigerungen ist nicht auszuschließen, dass strafrechtlich relevante Vorgänge vorliegen.