Konflikt in der Türkei mit Widerhall in Wien
Von Bernhard Ichner
Ich als Kameltreiber aus Anatolien werde am Sonntag demonstrieren“, übt sich Sinan Ertugrul in Ironie. „Herr Dönmez soll mir schon einmal das One-Way-Ticket reservieren.“
Der Philosoph und Politikwissenschaftler, der in Wien als Taxifahrer arbeitet, fühlt sich wie viele andere Türken vom oberösterreichischen grünen Bundesrat Efgani Dönmez provoziert. Wie berichtet, postete der türkischstämmige Politiker auf Facebook, Austrotürken, die Premier Recep Tayyip Erdogan unterstützen, hätten in Österreich nichts zu suchen.
Im Hinblick auf eine Pro-Erdogan-Demonstration, die am Sonntag in Favoriten geplant ist, schrieb er: „5000 One-Way-Tickets und keiner würde denen nachweinen.“ Wer einen „autoritär-islamischen Führungsstil unterstützt und diesen politisch auch in Österreich salonfähig machen möchte, tritt in krassen Widerspruch zu unseren demokratischen Grundwerten“, meint Dönmez. „Solche Leute (...) können ihren Lebensstil gerne wo anders leben, aber nicht bei uns.“
In der türkischen Community fordern deshalb viele seinen Rücktritt und auch aus der eigenen Partei hagelt es Kritik. Nur die FPÖ lobt das „lupenreine Demokratieverständnis“ des Grünen.
Dönmez schließt seinen Rücktritt aus. Am Montag wird darüber allerdings in der oö. Landespartei beraten.
Bei den Erdogan-treuen „New Vienna Turks“, die für Sonntag zu der Kundgebung auf dem Favoritner Columbusplatz aufrufen, hat man kein Verständnis für die Demonstranten in der Türkei: „Die Demonstrationen in der Türkei haben ihren demokratischen Charakter verloren“, sagt der Sprecher der neuen Initiative junger türkischer Akademiker, Fatih Köse (27). Die Organisatoren rechnen am Sonntag mit mehr als 10.000 Demonstranten.
Die Aktion am Sonntag wollen die Veranstalter als „Friedenskundgebung“ verstanden wissen. „Am Taksim-Platz wird mit Steinen geworfen, wir werden mit Rosen antworten.“
In den Augen der „New Vienna Turks“ geht die Regierung Erdogan, die den Demonstranten zuletzt mit dem Einsatz der Armee gedroht hatte, vor „wie jeder andere EU-Staat es auch tun würde. Sie verteidigt bloß den Rechtsstaat“, meint der 26-jährige Bauingenieur Abdurrahman Karayazili. Seiner Ansicht nach zielen die Demonstranten in Istanbul und Ankara auf Anarchie ab. „Warum warten sie nicht auf die nächsten Wahlen?“
Bis dato forderten die Zusammenstöße von Protestierenden und Polizei fünf Tote und Hunderte Verletzte.
Die „New Turks“ sehen in der Regierung Erdogan überwiegend Vorteile und verweisen „auf die Fortschritte der letzten 10 Jahre – sei es punkto Wirtschaft oder im Hinblick auf die Demokratisierung auf dem Weg zum EU-Beitritt. Mittlerweile gibt es in der Türkei Sprachfreiheit für die Kurden oder auch einen eigenen kurdischen Fernsehsender“, sagt Karayazili.
In der ZiB24 unterstrich Köse am Montagabend die Forderung nach Dönmez’ Rücktritt. Er habe unter den Türken viele Grün-Sympathisanten vergrault. „Bei den nächsten Wahlen werden wir alle an Herrn Dönmez’ Aussagen erinnern“, kündigt Köse an.
Contra Erdogan
In Wien demonstrieren aber nicht nur die Erdogan-Befürworter. Am vergangenen Sonntag rief ebenfalls in Favoriten der regierungskritische „Verein zur Förderung des Gedankenguts Atatürks in Österreich“ zur Protestkundgebung auf. Rund 1000 Menschen kamen. Für diese Gruppierung will Erdogan „eine islamische Diktatur “.
Die Aussagen von Dönmez können aber auch die Erdogan-Kritiker nicht nachvollziehen. „Das ist ein faschistischer Ansatz“, meint die Frauenbeauftragte des Vereins, Hülya Altan.
Die Demonstration der Erdogan-Fans ist für sie kein Problem. „Die sollen machen, was sie wollen. Wir leben in einer Demokratie. Wir wollen keinen Streit, wir wollen nur friedlich zusammen leben.“