Kirtag mit Promi-Auflauf: Gemischter Satz in Neustift
Von Josef Gebhard
Hoch ist dieser Tage wieder die Dirndl- und Lederhosendichte in den Wiener Öffis. Steht doch die 265. Ausgabe des Neustifter Kirtags auf dem Programm, auf dem sich die gehobene Stadtjugend wieder einmal von ihrer rustikaleren Seite zeigen darf. Was in den vergangenen Jahren immer beliebter wurde.
Vier Tage lang verwandelt sich die Rathstraße mit ihren zahlreichen Heurigen und Gasthäusern in eine Oktoberfest-Meile mit Langos und Lebkuchen – und natürlich jeder Menge Wein. Wem das noch nicht genügt, der geht nach der Sperrstunde zur „After-Kirtags-Party“ im Klub Kattus.
Video vom 265. Neustifter Kirtag
Bis Montag erwarten die Veranstalter, der Weinbauverein Neustift, an die 100.000 Besucher. Wo sich so viele Menschen versammeln, ist auch die Politik nicht weit: Ehe man das Festgelände erreicht, muss man erst einen Parcours aus Partei-Ständen mit den unvermeidlichen Luftballons passieren. Fleißig verteilen die zahlenmäßig auch diesmal wieder besonders stark vertretenen Blauen Strache-Autogrammkarten. Die SPÖ verschenkt rote Lebkuchenherzen. Dabei steht dieses Jahr nicht einmal eine Wahl an.
Lufthoheit
Doch um die politische Lufthoheit über die Wein- und Trachtenveranstaltung ist in den vergangenen Jahren ein Gerangel ausgebrochen, bei dem vor allem die FPÖ alle Geschütze auffährt. Medienwirksam spendeten Klubobmann Johann Gudenus und Co zuletzt 7000 Euro an den Weinbauverein, um den Erhalt des Kirtags zu sichern. Das sorgt wiederum in der SPÖ für Unmut. Denn eigentlich sei zwischen den Parteien vereinbart gewesen, die Politik aus dem Kirtag soweit wie möglich rauszuhalten.
Von solchen Animositäten ist bei der Eröffnung am Freitagnachmittag nicht allzu viel zu spüren. Fröhlich prosten einander der neue Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der neue Bürgermeister Michael Ludwig (natürlich beide in Tracht) für die Fotografen zu, die paar Schwarzen dürfen auch noch aufs Bild, nur grüne und pinke Spitzenpolitiker sucht man hier vergebens.
„Wir werden parteiübergreifend dieses Fest genießen. Wir sind alle Menschen“, sagt Ludwig bei der traditionellen Eröffnung beim Heurigen Zeiler. „Der Gemischte Satz ist ein besonderer Wein dieser Stadt und irgendwie sind wir Wiener auch ein gemischter Satz.“ Fast scheint es, als wolle er parteiinternen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Denn manche Genossen hatten in den vergangenen Jahren wenig Freude damit, dass sich Ludwig in Neustift beim Feiern mit den FPÖ-Spitzen fotografieren ließ.
Für andere SPÖ-Funktionäre sind solche Auftritte noch Neuland. Eigens für den Kirtag habe sie sich ein Dirndl zugelegt, verrät die neue Landesparteisekretärin Barbara Novak.
Den Freiheitlichen fällt es hingegen seit jeher nicht allzu schwer, in die Tracht zu schlüpfen: „Es ist schön, dass sie wieder mehr getragen wird. Sie ist ein Teil unserer Tradition“, sagt Strache. „Für manche ist eine Lederhose ein Kulturschock, für mich ist sie eine Bereicherung“, assistiert ihm sein Klubchef Gudenus. Eine Spitze gegen SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, der zuletzt im KURIER-Interview wenig Begeisterung für dieses Kleidungsstück hatte anklingen lassen.
Rathausmann für Tiller
Einer darf beim Neustifter Kirtag nicht fehlen. Gemeint ist nicht Richard Lugner, der sich mit weiblichem Anhang etwas ungelenk zwischen die Politiker und vor allem vor die Kameras zu drängen versucht, sondern Döblings ÖVP-Bezirksvorsteher Adi Tiller. Er ist seit mittlerweile rekordverdächtigen 40 Jahren im Amt. Dafür wird der 79-Jährige von Ludwig mit dem goldenen Rathausmann geehrt.