Chronik/Wien

Matratzen und Tee gegen die Kälte

Eng aneinandergekuschelt liegen sie auf einer Matratze. Krisztian, seine Freundin Piroska und sein Hund Vándor. Vándor ist Ungarisch und bedeutet "Wanderer". Der Name passt ganz gut zu Krisztians Geschichte.

>> Zum Wetter auf Kurier.at

Seit zwei Jahren kommt der 28-jährige Ungar immer wieder nach Wien. Drei Jahre zuvor hat er seiner Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben den Rücken gekehrt. "Dort habe ich alles verloren", sagt er. In Wien will er es noch einmal probieren, Arbeit finden und einen Platz zum Schlafen. Jetzt, wo es so kalt ist, verbringen er und seine Freundin die Tage in der Wärmestube von Obdach Wien in der Apollogasse nahe des Westbahnhofs.

Alle Inhalte anzeigen

Etwa 50 Personen halten sich dort im Winter täglich auf. Jetzt, wo es so kalt ist, sind es knapp 90. Sie sitzen im Aufenthaltsraum und spielen Schach oder Mühle. Es gibt Tee, Kaffee, Butter und Marmelade. Wenn genug Lebensmittel gespendet wurden, wird Suppe gekocht. In einem Ruheraum können sich die obdachlosen Menschen auf Feldbetten ausrasten. Weil der Andrang so groß ist, wurden nun auch Matratzen im Gang aufgelegt.

Mehr Betten

Seit 2. November ist die Wärmestube in der Apollogasse geöffnet. Sie ist Teil des Winterpakets der Stadt Wien. Im Zuge dessen werden von November bis April – je nach Bedarf und in Kooperation mit Hilfsorganisationen – Tages- und Nachtquartiere für Obdachlose geöffnet.

Schon am Wochenende hat der Fonds Soziales Wien 45 Betten zusätzlich bereitgestellt. Damit gab es in Wien insgesamt 1275 Schlafplätze für Obdachlose. Sie waren so gut wie alle belegt, Reserven gibt es aber noch.

Beim Kältetelefon der Caritas Wien ( 01/4804 553) gingen am Sonntag 170 Anrufe ein. Normalerweise sind es etwa 30. Über das Kältetelefon werden Schlafplätze von Obdachlosen an Sozialarbeiter gemeldet. Sie gehen den Hinweisen nach und versuchen, die Menschen in Notschlafstellen zu bringen. Wenn sie das nicht wollen, werden die Obdachlosen mit winterfesten Schlafsäcken versorgt.

In Graz ist seit Anfang Dezember erstmals ein Kältetelefon ( 0676/8801 5111) im Einsatz. Täglich von 19 bis 24 Uhr nehmen Freiwillige die Anrufe entgegen – 88 Mal ist das Team ausgefahren. 19 Menschen wurden in Notschlafstellen gebracht.

Alle Inhalte anzeigen

In Wien gingen zuletzt so viele Anrufe beim Kältetelefon ein, dass die Caritas nun mit den Streetworkern von SAM (Suchthilfe) und Obdach Wien kooperiert, um allen Hinweisen nachgehen zu können.

In den Notschlafstellen der Stadt nächtigen vor allem Bürger aus dem EU-Ausland. Sie kommen aus Ungarn, Rumänien oder der Slowakei. In der Apollogasse sind das etwa 80 Prozent der Klienten. "Viele sind über den Sommer unterwegs und kommen zu Winterbeginn nach Wien", sagt Brigitte Grulich, Leiterin der Wärmestube Apollogasse. "Denn sie wissen, dass es hier Unterkünfte für sie gibt." Auch Jeanette (31) kommt aus der Slowakei. Ihre Tochter (zwölf Jahre) und ihren Sohn (acht) hat sie bei ihrer Mutter zurückgelassen, um in Wien Arbeit zu suchen.

Alle Inhalte anzeigen

Jeden Abend um 18 Uhr sucht sie eine Notschlafstelle auf, am nächsten Morgen um 7.45 Uhr müssen alle Gäste dort raus. Bis die Wärmestube in der Apollogasse um 9.30 Uhr öffnet, versucht sie, sich auf Bahnhöfen warm zu halten. "Aber die Securitys treiben uns weg", sagt Jeanette. "Mit denen lege ich mich nicht an, die kommen mit Hunden."

Spendenkonto Obdach Wien: Winterfester Schlafsack (30 Euro), Iso-Matte (10 Euro). IBAN: AT18 2011 1296 5118 1000

Alle Inhalte anzeigen