Chronik/Wien

Czernohorszky: "Die Wiener Kindergärten spielen in der Champions League"

Jürgen Czernohorszky (39) zum Burkaverbot, die Gesamtschule und über mögliche höhere Ambitionen innerhalb der Wiener SPÖ.

KURIER: Das neue Regierungsprogramm sieht ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum vor. Eine sinnvolle Maßnahme?

Jürgen Czernohorszky: Das Burkaverbot ist eine symbolische Maßnahme und wird primär die Wiener Innenstadt und Zell am See und die dortigen Touristinnen betreffen. Eine ernsthaftere, richtige Herangehensweise gab es mit dem Neutralitätsgebot bei der Exekutive und bei Gerichten, wo es klare Kleidungsvorschriften gibt: Hier geht es nicht um ein Verbot des Kopftuchs, sondern eben um ein Gebot.

Ist für Sie ein Kopftuch-Verbot an Schulen vorstellbar?

Auch hier ist es der vernünftige Weg, die Diskussion zu suchen und in den Dialog mit den Religionsgemeinschaften zu treten, wie das die Regierung auch angekündigt hat.

Die Regierung plant die Einführung eines Integrationsvertrags und einer Werteerklärung inklusive strenger Sanktionen bei Verstößen. Können Sie das mittragen?

Das Integrationsjahr enthält auch Maßnahmen, die die Menschen an den Arbeitsmarkt heranführen. Die Logik des AMS ist ja jetzt auch schon so, dass es Sanktionen gibt, wenn jemand seine Verpflichtungen nicht erfüllt.

Wien stand zuletzt gleich zwei Mal im Fokus von Einsätzen gegen Islamisten und Terrorverdächtigen. Zeigt das nicht auch, dass die bisherigen Integrationsmaßnahmen in Wien nicht gegriffen haben?

Wien gibt europaweit am meisten für außerschulische Jugendarbeit aus. Wir sind europaweiter Vorreiter mit dem Deradikalisierungsnetzwerk, in dem alle zuständigen Beteiligten der Stadt gemeinsam mit Experten und Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten. Ich sehe es als meine Aufgabe, unsere Erfahrungen auf Bundesebene einzuspielen. Wien macht im Vergleich zu anderen Bundesländern das meiste hinsichtlich strukturierter Integration. Aber natürlich muss noch mehr geschehen.

Haben Sie konkrete Vorstellungen, wie die Maßnahmen weiterentwickelt werden können?

Absoluter Schwerpunkt muss die gemeinsame Sprache sein. Sie ist notwendig, um miteinander zu leben. Man muss mit der Vermittlung der Sprache vom ersten Tag an beginnen, weil damit geht auch die Vermittlung von Werten und Regeln einher.

Die Gewerkschaft steigt wegen dem geplanten Schulautonomie-Paket auf die Barrikaden. Der Protest richtet sich unter anderem gegen die Streichung der Klassenschülerhöchstzahl. Ist der Widerstand gerechtfertigt?

Wenn eine Gruppe, die an einem Projekt arbeitet, aus 13 Schülern besteht, und dann bei einer Theorie-Einheit aus 50, ist dies ein Beispiel dafür, was im Rahmen der Schulautonomie möglich sein soll. Denn die Expertise dafür liegt in der einzelnen Schule. Wesentlich ist, dass es mit dem Paket auch zu keinen Einsparungen kommt.

Thema Gesamtschule: Ihre Vorgängerin Sandra Frauenberger hat im Herbst den Kampf um eine flächendeckende Modellregion Wien aufgegeben. Werden Sie ihn wieder aufnehmen?

Das hat sie nicht und ich werde es auch nicht tun. Es muss gelingen, dass Bildung weniger als jetzt von der Herkunft der Eltern abhängig ist. Alle Studien belegen, dass dies nur gelingt, wenn Kinder nicht mit neuneinhalb Jahren eine Lebensentscheidung für ihren weiteren Bildungsweg treffen müssen.

Die Bundesregierung plant einen Pilotversuch zum zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr. Wird sich Wien dafür bewerben?

Eindeutig ja. Es bringt unglaublich viel, wenn Kinder im Kindergarten waren – hinsichtlich Sprache, aber auch sozialer Kompetenzen.

Doch wäre Wien dafür überhaupt gerüstet, zumal ja nicht einmal die Kontrolle des einen Jahres funktioniert – wie der Stadtrechnungshof gezeigt hat?

So wie das bei der Schulpflicht gelingt, wird das auch bei den verpflichtenden Kindergärten gelingen.

Immer wieder geraten in Wien Kindergarten-Träger in finanzielle Schieflage oder es kommt zu Fördermissbrauch. Welche Maßnahmen planen Sie hier?

Wiens Kindergärten spielen im Vergleich zu jenen in anderen Bundesländern in der Champions League. Dass Missbrauch aufgedeckt wird, zeigt, dass die Kontrollen funktionieren. Aber selbstverständlich muss das Kontrollsystem noch wachsen.

Braucht es nicht mehr Personal für die Kontrollen, besonders für die Islam-Kindergärten?

Wie viel Personal und welche Maßnahmen es genau braucht, kann ich am dritten Tag nach Amtsantritt nicht seriös beantworten, wir werden hier aber sicher noch genauer hinschauen. Einige wichtige Schritte wurden bereits gesetzt, einer davon war beispielsweise die Erhöhung der Ausbildung der Kindergruppen-Pädagoginnen von 90 auf 400 Stunden.

Parteiintern gelten Sie als Nachwuchshoffnung. Würde Sie das Amt des Bürgermeisters reizen?

Ich habe dieses Ziel nicht. Meine neue Aufgabe füllt mich zu hundert Prozent aus. Ich verfolge diese Diskussionen auch, sie sind mir aber ehrlich gesagt wurscht.