Chronik/Wien

Immer der Nase nach: Seltenes Handwerk Parfümeur

Der Nacken ist gemeinhin ein unbeachtetes Körperteil. Doch wenn Yogesh Kumar wissen möchte, was seine Kunden brauchen, beugt er sich genau dorthin – und riecht. Denn auf der Halsrückseite, einer Stelle, an der jeder fast ständig perspiriert (ausdünstet, Anm.), ist der Körperduft am stärksten wahrnehmbar. Und individuelle Parfüms, die Kumar erstellt, sollen schließlich mit dem Körperduft harmonieren.

Rund 2000 Parfümeure gibt es weltweit nur. In Österreich kann man sie an einer Hand abzählen. Einer von ihnen ist Kumar mit seinem Geschäft in der Kirchengasse im 7. Bezirk. Hier kreiert er individuelle Parfüms oder Firmendüfte. Er hat etwa Aromen für Events von Coca-Cola oder Ford hergestellt oder Raumdüfte für den Altersheimkonzern SeneCura. Und für den Österreich-Tourismus hat er den Duft des Landes in einem Flakon eingefangen.

„Die menschliche Nase ist ein gewaltiges Organ“, sagt der 49-Jährige. Täglich würde sie 8000 bis 10.000 neue Düfte abspeichern. „Aber in unserer schnelllebigen Zeit wird sie oft missachtet.“

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In den jüngsten Jahren hat sich Kumar deshalb immer mehr auf seinen dritten Schwerpunkt konzentriert: auf sogenannte „Scent-Events“, Geruchsveranstaltungen, bei denen die teilnehmenden Personen ihre Duft-Wahrnehmung und schlussendlich auch sich selbst besser kennen lernen sollten.

Die Düfte von früher

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Von 2. bis 5. Mai findet so eine Veranstaltung statt. Im Luftschloss Cobenzl wird unter dem Titel „Kindheitserinnerungen“ ein Labyrinth für Auge und Nase mit Bild- und Duftstationen geschaffen. Dafür hat Kumar etwa „Kirschen stehlen“ destilliert.

Das Komponieren von Düften, meint Kumar, sei ein äußerst kreativer Akt, vergleichbar vielleicht mit dem Schaffen eines Musikstücks oder eines Gedichts. Eine universitäre Ausbildung gibt es dafür nicht. Es gibt aber einige Schulen, etwa die „Ecole de Parfum“ (dt. „Schule des Parfüms“) in Versailles. Meist lernen Parfümeure aber direkt im Unternehmen oder von Familienangehörigen. Yogesh Kumar hat es sich selbst beigebracht. „In Indien gibt es keine Duftkultur wie in Europa“, meint er. Vielleicht habe er sich deshalb dort nie richtig zu Hause gefühlt. Erkannt, dass sein Geruchssinn anders ist, hat er nämlich schon als Siebenjähriger. „Ich habe sogar Spannungen gerochen. Es war so ein stechender Geruch in der Nase.“

Mit 13 Jahren hatte er am Esstisch ein Hobbylabor eingerichtet, mit 17 Jahren sein erstes Unternehmen: er erstellte Raumduftkonzepte für 60 indische Hotels.

Nach Österreich kam er über Umwege. Zuerst zog es ihn nach Dänemark und Hamburg. Bis Freunde sagten: „Österreich ist ein kleines Land, da ist jeder ein Künstler, da würdest du gut reinpassen.“ Dazu wurde ihm ein Foto von zwei Frauen im Dirndl in einem Lokal gezeigt, daran kann er sich gut erinnern.

Ebenfalls nie vergessen wird er den Tag, an dem er in der Tuchlauben zufällig Patrick Süskind traf (Autor des Bestsellers „Das Parfum“, Anm.), den er als sehr zurückhaltenden Mensch in Erinnerung hat. Nachdem Kumar von seinem Leben erzählt hat, meinte Süskind: „Du bist Grenouille.“ (Ohne den kriminellen Part.) Höheres Lob hätte sich Kumar nicht vorstellen können.