Nach Hundebiss: Kleinkind "zwei Wochen im Tiefschlaf"
Von Daniel Melcher
„Ich hab noch immer Gänsehaut“, sagt eine Mutter beim Vorbeigehen. Die Bewohner in der Ziegelhofstraße sind einen Tag nach dem Hundebiss an einem Einjährigen weiterhin fassungslos.
Großeltern waren am Montag gegen 20 Uhr mit ihrem Enkel den Gehsteig entlang spaziert und hatten das Kind immer wieder in die Höhe schaukeln lassen. Eine 48-Jährige war mit ihrem Rottweiler der Familie entgegengekommen, als sich das Tier plötzlich von der Leine losriss und auf das Kind zustürmte. Joey biss dem 18 Monate altem Waris in den Kopf. Erst eine Zeugin und der Großvater konnten den Hund bändigen. Schreie hallten durch die Nachbarschaft, einige Bewohner eilten sofort zu Hilfe.
Thomas K. (48) war einer der ersten vor Ort: „Ich dachte zuerst, es sind tobende Kinder unterwegs, bis ich runtergeschaut habe. Ich habe dem Großvater dann das Kind abgenommen, damit wir den Kopf verbinden können“, schildert er. Eine Notärztin, die in der Nähe wohnt, kam von der gegenüberliegenden Straßenseite angelaufen. „Sie hat das Verbandszeug mitgebracht“, erzählt K., der selbst einen Listenhund besitzt. Eine Nachbarin warf den Erstversorgern ihren Erste-Hilfe-Koffer zu. Die Berufsrettung Wien brachte das Kleinkind schließlich mit lebensgefährlichen Verletzungen ins SMZ Ost. Bewohnerin Christina J. findet den Vorfall „furchtbar“: „Mein Sohn dreht hier immer seine Runden.“
Besitzerin sah zu
Laut Zeugenaussagen sei die Besitzerin nach der Attacke ihres Hundes einfach nur daneben gestanden. Danach band die Frau ihren Rottweiler an einen Baum an. Als die Beamten eintrafen, kläffte dieser die Uniformierten an. Vor Ort sagte die Hundebesitzerin dann zu den Polizisten: „Mein Hund ist nicht aggressiv. Mein Hund ist nicht böse.“ Die Beamten forderten die Frau auf, den Beißkorb zu holen. Ein Alkotest ergab bei der Besitzerin 1,4 Promille.
Waris Vater erfuhr während seines Dienstes als U-Bahn-Fahrer von dem Vorfall: „Mein Kind kämpft derzeit um sein Leben. Die Ärzte haben gesagt, dass er voraussichtlich zwei Wochen im Tiefschlaf liegen wird. Meine Eltern sind völlig fertig“, schildert Raman Ch. Als er erfährt, wer die Hundebesitzerin ist, fällt er aus allen Wolken: „Das ist eine Arbeitskollegin.“ Die Verdächtige soll ebenfalls bei den Wiener Linien arbeiten, und zwar als Security.
Joey wurde seiner Besitzerin abgenommen und im Tierquartier untergebracht. Dort steht der Rottweiler derzeit unter Quarantäne. Seine Zukunft ist ungewiss. Die Bewohner berichten, dass die 48-Jährige öfter ihren Hund misshandelt hätte – auch auf offener Straße. Die Besitzerin, sie wohnt gleich nebenan, wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung angezeigt. Ihr droht eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten – sie könnte aber auch mit einer Geldstrafe davonkommen. Polizeibekannt war die Frau bisher nicht. Rechtlich gesehen hat es gereicht, dass der Hund angeleint war; eine zusätzliche Beißkorbpflicht bestand nicht.