Chronik/Wien

Wie das Haus des Meeres neue Zielgruppen für den Artenschutz begeistert

Zwei Männer, bekleidet mit Taucheranzügen und Taucherbrillen – und das an einem Vormittag in der Wiener U-Bahn?

Dies sorgte Anfang August für Erstaunen bei so manchem Fahrgast der Linie U3, Bilder der Aktion gingen auch durch die Medien. Hinter den Taucherbrillen steckten Mitarbeiter des Haus des Meeres, die in voller Montur auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz waren.

Hintergrund der Aktion: Man möchte das Interesse an der Arbeit des Zoos und am Artenschutz wecken. Und zwar nicht trocken-belehrend, sondern humorvoll, nach dem Motto: Auch Spaß muss sein.

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Nicht nur die Taucher, auch andere Aktionen sorgten für Erheiterung. Da war etwa Frau Mungo, das EM-Orakel. Die Schmalstreifenmungo-Dame, eine betagte Bewohnerin des Haus des Meeres, sollte die Ergebnisse der EM-Spiele voraussagen. Ihre Trefferquote war zwar niedrig, ihre Beliebtheit dafür umso höher. Und auch persönliche Begegnungen mit den Tieren werden immer begehrter: So gibt es etwa seit einiger Zeit die Möglichkeit, selbst Kattas zu füttern.

Rekorde und neue Zielgruppen

Wie sich zeigt, funktioniert die Taktik: Knapp 931.000 Besucher zählte das Haus des Meeres im Vorjahr – ein neuer Rekord. „Ich bin überzeugt, dass Zoos so beliebt sind wie noch nie“, sagt Kurator und Tierarzt Jeff Schreiner (übrigens einer der Männer hinter der eingangs erwähnten Taucherbrille). Schließlich interessieren sich immer mehr Menschen für Klima- und Umweltthemen: „Das Korallenriffsterben oder das Insektensterben gibt es nicht erst seit fünf Jahren. Aber früher lag der Fokus nicht so drauf“, sagt Schreiner.

Zudem erreiche man über Instagram, Tiktok und Co. neue Zielgruppen: Waren es früher eher Eltern oder Großeltern, die mit kleineren Kindern ins Haus des Meeres gingen, kommen mittlerweile auch viele Jugendliche. „Wir haben 17- oder 18-Jährige, die bei uns stundenlang Tiere beobachten“, erzählt Schreiner.

Falsche Vorstellung

Freilich seien im Internet auch die Zoo-Kritiker „sehr laut“, so der Kurator. „Viele haben noch das Bild vom armen, verhaltensgestörten Tiger vor Augen, der im Käfig im Kreis läuft. Aber so wird in modernen wissenschaftlichen Zoos natürlich nicht gearbeitet.“ An erster Stelle stehe das Tierwohl.

Zurück etwa zum Beispiel der Kattas: Im Haus des Meeres können die Besucher Schippel, Luke, Max, Humpi, Cruella und Ursl kennenlernen. Experten erzählen über Leben und Sozialverhalten der Lemuren, dann dürfen sie auch gefüttert werden; selbstverständlich nur unter fachlicher Aufsicht. „Wir haben das genau studiert und gesehen, dass es für die Tiere keine negativen Beeinträchtigungen durch die Besuche gibt“, betont Schreiner.

Seiner Erfahrung nach seien es gerade diese persönlichen Begegnungen, die die Menschen für das Thema Artenschutz begeistern: „So holt man sie ab. Schaut man einem Katta in die Augen, entwickelt man einen ganz neuen Bezug zu dieser Art.“

Artenschutz und Tier-Begegnungen

Zu bestaunen gibt es freilich noch viele andere Tiere: Besucher können etwa bei der Fütterung der Haie, Piranhas oder Reptilien zusehen. Oder wenn Mitarbeiter gemeinsam mit Haien und Meeresschildkröte „Puppi“ im Becken tauchen. Auch das neue Stör-Aquarium im 6. Stock ist beim Publikum sehr beliebt.

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„Unsere Zoopädagogen schaffen es, dass man gescheiter herausgeht, als man hereingekommen ist“, sagt Schreiner. So lerne man etwa, dass unachtsames Wegwerfen einer Zigarette für Tiere tödlich enden kann: ein Ziesel etwa starb nach dem Fressen eines Zigarettenstummels an Nikotinvergiftung. Oder dass allein das Aussterben einer Mückenart bedeuten würde, dass es keinen Kakao mehr gibt.

Ebenso möchte man vermitteln, dass Zoos eine wichtige Rolle beim Artenschutz spielen: So gelang es etwa im Haus des Meeres kürzlich als erstem Zoo weltweit, ein Wüstenchamäleon nachzuzüchten. Oder auch bei der Bayrischen Kurzohrmaus, einem der seltensten Säugetiere der Welt, freute man sich erst im Juli über Nachwuchs.

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„Wenn wir es schaffen, eine Handvoll Menschen für den Artenschutz zu begeistern, ist schon viel gewonnen“, sagt Schreiner. „Wichtig ist aber, dass immer auch ein bisschen Schmäh dabei ist – der Schmäh ist ja schließlich eine Wiener Spezialität“, fügt der Kurator hinzu und lacht.

Auf Taucher in der U-Bahn und spannende Tier-Begegnungen darf man sich also weiter freuen. Nur Frau Mungo wird in Pension gehen. „In freier Wildbahn werden die Tiere nur sieben oder acht Jahre alt. Sie ist schon über 20 “, sagt Schreiner.

  • 1957 wurde das Haus des Meeres gegründet
  • Dimensionen: Der Zoo verfügt über  5.000 . Im Jahr 2023 kamen rund 931.000 Besucher
  • 600 verschiedene Arten bzw. 10.000 Tiere leben hier
  • Informationen: Geöffnet 9–20 Uhr, 6,50–21,90 €, Fritz-Grünbaum-Platz 1, 1060 Wien. 
  • Website: haus-des-meeres.at