Chronik/Wien

Hartes Duell um die neuen Wiener Straßenbahnen

Franz Schuh wählte dramatische Worte: "150 Arbeitsplätze in Wien sind in Gefahr", sagte der Betriebsratschef von Siemens vergangene Woche. Denn gerade in Wien, wo der von Siemens entwickelte ULF (Ultra Low Floor, Niedrigstflur-Straßenbahn) gebaut und eingesetzt wird, verlor der deutsche Konzern den Auftrag an Bombardier. Der kanadische Konzern hat ebenfalls ein Werk in Wien. Hier soll auch der siegreiche Flexity für Wien gebaut werden. Doch ganz fix ist der 562 Millionen Euro schwere Auftrag noch nicht.

Siemens hat beim Wiener Verwaltungsgericht Einspruch gegen die Vergabe erhoben. Geben die Richter dem Einspruch recht, müsste neu ausgeschrieben werden.

"Unsere Experten haben Bedenken gegen die Entscheidung", erklärt Siemens-Sprecher Walter Sattelberger. Vor allem die Barrierefreiheit des Flexity wird von Siemens angezweifelt. "Wir glauben, dass hier gültige Standards nicht erfüllt werden", sagt Sattelberger. Sogar Pensionistensprecher Karl Blecha meldete sich am Mittwoch zu Wort. "Jüngste Ausschreibungen und Vorgaben der Wiener Linien widersprechen eklatant den Richtlinien", kritisiert Blecha.

Verwunderung

Offiziell will man bei den Wiener Linien nichts zum laufenden Verfahren sagen. Hinter vorgehaltener Hand herrscht aber Verwunderung. "Unglaublich, welche Halbwahrheiten hier kursieren", sagt ein Mitarbeiter. "Natürlich ist die Barrierefreiheit ein großer Teil unserer Anforderungen in der Ausschreibung", sagt Wiener-Linien-Sprecher Dominik Gries zu den Vorwürfen.

Auch Bombardier wehrt sich. "Die Wiener Linien haben ein faires und transparentes Vergabeverfahren durchgeführt, wie es professioneller nicht sein könnte", sagt Bombardier-Wien-Leiter Bruno Kittner. Sein Betrieb habe die Ausschreibungskriterien zu 100 Prozent erfüllt. "Das gilt selbstverständlich auch für den Bereich Barrierefreiheit. Noch nie zuvor hatten Rollstuhlfahrer und Kinderwagen so viel Platz wie in unserer Flexity-Bim für Wien", sagt Kittner.

Die neue Flexity von Bombardier

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Schützenhilfe kommt aus Deutschland. Die Berliner Verkehrbetriebe (BVG) hatten sich 2009 für die Flexity-Bim entschieden. Derzeit fahren 90 von 142 bestellten Bims in Berlin. "Die Flexity hat sich durch hohe Zuverlässigkeit bewährt", sagt Klaus-Dietrich Matschke, Chef der Straßenbahnen bei der BVG. "Natürlich sind die Garnituren barrierefrei", kann er die Diskussion in Wien nicht verstehen. Übrigens: Auch der ULF wurde den Berlinern angeboten – und unterlag deutlich. "Ähnlich wie die Kollegen in Wien haben wir uns für die wirtschaftlichste Lösung entschieden", sagt Matschke.