Chronik/Wien

Geldtransporter-Überfall: Jeweils acht Jahre Haft

Der 49-Jährige mit dem Spitznamen „Engel“ und die 35-Jährige lernten einander in einer Kirche kennen. Sie sangen gemeinsam, lauschten den dort dargebotenen Prophezeiungen und berichteten einander von dem Elend der Welt, das sie kennengelernt hatten. Er war beruflich in Afrika gewesen und bekam die Bilder der hungernden Kinder nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte die Armut in Moldawien erlebt. Sie beschlossen, zu helfen. Und dann überfielen sie einen Geldtransporter. Am Dienstag standen sie vor Gericht.

Tamara S. hatte bei Loomis gearbeitet und kannte die Details der Be- und Entladung der Bankomaten. Gabriel E. war bis 2001 Polizist bei der WEGA, als er bei einem Einsatz angeschossen wurde, quittierte er den Dienst und machte sich mit einer Sicherheitsfirma selbstständig. Unter anderem arbeitete er auch für Loomis. Der Sicherheitschef dort war ein WEGA-Kollege von ihm, aber das ist eine andere Geschichte (siehe Bericht rechts).

Am 23. Dezember 2013 schlugen Gabriel E. und Tamara S. auf der Wiener Nussdorfer Straße zu. „Pst“, zischte E., hielt dem Fahrer des Geldtransporters und dessen Kollegin eine Glock-Pistole vor die Nase. Dann zog man den Opfern Wollmützen über den Kopf, fesselte ihre Hände am Rücken und zwang sie, sich auf den Boden zu legen: „Nicht bewegen, sonst tot. Wir wissen, wo ihr wohnt.“ Alles das laut Staatsanwältin und Anwalt der Opfer, Nikolaus Rast, mit äußerster Brutalität.

Die Verteidiger hingegen kontern, man habe den Überfallenen sogar Polster unter den Kopf gelegt, damit sie nicht so hart liegen. Gabriel E., der „Engel“, würde sehen, wenn jemand leidet.

Tamara S. knackte den Code, damit der Alarm nicht ausgelöst wird, ehe die Räuber mit drei Millionen Euro Beute verschwanden. Die Kenntnis des Sicherheitsprozederes machte stutzig und ließ auf einen Eingeweihten schließen, so kam man den Tätern auf die Spur.

„Achtenswert“

Die Angeklagten sind geständig, haben sogar schon je 10.000 Euro Schmerzensgeld an die Opfer gezahlt. Bleibt nur noch die Ausschmückung des – nach Ansicht von Verteidiger Klaus Ainedter „achtenswerten“ – Motivs.

Gabriel E. sagt, er habe in Gabun ein Kinderdorf für Waisenkinder aufbauen und es „Blue Sky Village“ nennen wollen. Von seinen eigenen Ersparnissen habe er schon 90.000 Euro hinuntergeschickt, aber das sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen.

Tamara S. erzählt, sie habe bereits den Lkw-Führerschein gemacht und mit einem Rettungssanitäterkurs begonnen, um helfen zu können. Die Urteile: je acht Jahre Haft, nicht rechtskräftig.

Nach einer geplatzten Abschiebung revanchierten sich vier WEGA-Beamte 2006 an dem gebürtigen Gambier Bakary J. und folterten ihn in einer Lagerhalle in Wien. Das traumatisierte Opfer fordert von der Republik Österreich Schadenersatz. Die Beamten wurden auf Bewährung verurteilt, der Staat regressiert sich.

Was das mit dem Überfall auf den Geldtransporter zu tun hat? Der Sicherheitschef der Firma Loomis ist einer der vier Ex-WEGA-Polizisten und ein Kollege des angeklagten Ex-Polizisten E. (der bei der Folterung von Bakary J. aber nicht beteiligt war).

Es steht im Raum, dass der Sicherheitschef – der übrigens ein Verhältnis mit der angeklagten Komplizin Tamara S. hatte – in den Raubplan eingeweiht gewesen sein könnte. Jedenfalls wollte ihm Tamara S. mit einem Teil der Beute aushelfen, damit er die Regressforderungen erfüllen kann.

Tatsächlich sind 110.000 Euro aus der Millionenbeute verschwunden. Der Angeklagte E. behauptet, er habe die 500er verbrannt, weil zu befürchten gewesen sei, dass die Seriennummern notiert sind. Der Sicherheitschef wird nicht gerichtlich verfolgt.