Gegenwind für die ÖVP-Parteispitze
Das Sommerfest der Wiener ÖVP vor einer Woche war gut besucht. Während sich die altgedienten Funktionäre unter den Arkaden in der Lichtenfelsgasse bei Bier, Langos und Würstchen amüsierten, saß ihr Obmann Manfred Juraczka im Inneren des Lokals nebenan. "Geschlossene Gesellschaft", stand an der Glastür, ein Security hielt unerwünschte Gäste fern. Der Parteiobmann feierte fernab der eigenen Partei, im Zirkel seiner engsten Vertrauten.
Anderswo will man dieser Tage mit Juraczka gar nicht feiern. Bei einer Veranstaltung des ÖVP-nahen Seniorenbunds wurde der Parteichef zuletzt kurzerhand ausgeladen. Zu tief sitzt noch der Stachel, dass die Seniorenbund-Kandidatin, die langgediente Gemeinderätin Ingrid Korosec, bei der Landesliste für die Wien-Wahl nur auf Platz elf aufscheint. Sie musste Platz machen für junge, aber weithin unbekannte Kandidaten wie Elisabeth Olischar, Caroline Hungerländer oder Viktoria Bernt – alle drei noch unter 30. Nur via Vorzugsstimmen-Wahlkampf kann Korosec noch den Einzug in den Gemeinderat schaffen.
Ähnlich geht es dem Bauernbund-Kandidaten Norbert Walter. Der ehemalige Landesgeschäftsführer macht aus seinem Ärger keinen Hehl: "Ich bin davon ausgegangen, dass auch der Bauernbund zumindest einen sicheren Listenplatz bekommt." Die von Juraczka durchgesetzte Verjüngung der Partei sieht er skeptisch: "Es ist fraglich, ob das allein ausreicht, um erfolgreich eine Wahl zu schlagen." Walter vermisst ausreichend Personen, "die das Getriebe des Rathauses kennen", um nach der Wahl auch Regierungsverhandlungen führen zu können.
Es sei vor allem Sebastian Kurz gelungen, seine JVP-Kandidaten durchzusetzen, ärgert sich ein anderer Funktionär, der anonym bleiben will. "Doch nur die Jugend zu forcieren reicht nicht, damit Jugendliche auch die ÖVP wählen." Das habe nicht zuletzt Kurz’ eigene Kandidatur 2010 gezeigt. "Er wurde damals aufgestellt, um die Jugend abzuholen und die FPÖ einzudämmen – beides hat nicht funktioniert", sagt der ÖVP-Mann.
Bünde geschnitten
Besonders stößt ihm der Machtzuwachs einer ÖVP-Teilorganisation auf: "Gerangel zwischen den Bünden gab es immer. Jetzt wurde der Bogen überspannt: Alle Bünde mit Ausnahme des Wirtschaftsbundes wurden geschnitten." Dessen Obmann Walter Ruck konnte gleich vier seiner Kandidaten (etwa Cafetier Berndt Querfeld) an wählbarer Stelle unterbringen. Auf der Strecke blieb Gemeinderätin Isabella Leeb, die im Vorjahr bei der Kampfabstimmung um die Wirtschaftsbund-Spitze Rucks Gegenkandidaten Robert Bodenstein unterstützt hatte.
Eine Vorgehensweise, die letztlich auf Juraczka zurückfallen könnte, warnt ein Funktionär: "Er muss aufpassen, dass er im Klub nicht zunehmend isoliert wird."
Elisabeth Olischar (27) ist seit 2010 Bezirksrätin in Döbling und tritt hinter Parteichef Manfred Juraczka auf Platz 2 der ÖVP-Landesliste an.
KURIER: Mit welchen Themen ziehen Sie in die Wien-Wahl?
Elisabeth Olischar:Mir geht es um Nachhaltigkeit und Lebensqualität für junge Menschen. Beispiel Umweltpolitik: Sie darf nicht beim Radfahren enden. Statt einer Verbotspolitik braucht es eine Politik der Möglichkeiten – etwa eine größere Auswahl von eMobilitäts-Angeboten.
Wie gehen Sie mit der – auch parteiinternen – Kritik um, dass Sie und andere neuen ÖVP-Kandidaten zu unerfahren sind?
Die jungen Kandidaten bringen neue Perspektiven ein, während man vielleicht schon etwas betriebsblind ist, wenn man zu lange dabei ist. Aber es wurde ja nicht die komplette ÖVP-Liste ausgetauscht. Unser Team ist vielmehr eine gute Mischung aus jungen und etablierten Kandidaten. Sie können die Jüngeren unterstützen – etwa bei möglichen anstehenden Regierungsverhandlungen. Gemäß dem Motto: Die Jungen können schneller laufen, die Alten wissen, wo die Abkürzungen sind.
Haben Sie Verständnis für den Ärger etablierter Gemeinderäte, die jetzt an schwer wählbare Stellen zurückgereiht wurden?
Diesen Gemeinderäten traue ich zu, dass sie nach einem erfolgreichen Vorzugsstimmen-Wahlkampf wieder weiter nach vorne rücken und in den Gemeinderat einziehen.
Ist es richtig, dass Sie der Wunschkandidat von Außenminister Sebastian Kurz waren?
Es liegt in der Natur der Sache, dass jüngere Politiker einander gegenseitig unterstützen. Er war aber bei Weitem nicht der Einzige, der meine Kandidatur befürwortet hat. Dafür hat es von mehreren Seiten Zustimmung gegeben.
Kurz vor der Wien-Wahl setzt VP-Obmann Juraczka alles auf eine Karte. Um bei den Wählern zu punkten und die Partei weiterzuentwickeln, soll die Jugend in die Bresche springen. Auf den Listenplätzen zwei, vier und sechs stehen drei bislang unbekannte, junge Kandidaten – altbewährte Funktionäre mussten dafür weichen. Seitdem bläst dem Obmann in Teilen der Partei ein eisiger Wind entgegen. Holt Juraczka bei den Wahlen im Herbst entgegen dem Trend ein Plus, hat er gewonnen. Verliert die ÖVP jedoch Mandate, sind seine Tage als Obmann gezählt.