Chronik/Wien

Gebremste grüne Rad-Euphorie

Nach dem heftigen Koalitionskrach rund um die Abwerbung ihres Abgeordneten Senol Akkilic von der SPÖ wendet sich Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Ende der Karwoche wieder einem grünen Lieblingsthema zu. Am Donnerstag präsentierte sie die Bilanz der vierjährigen Radverkehrspolitik unter der grünen Regierungsbeteiligung.

Diese fällt zwiespältig aus: Obwohl seit 2010 rund 30 Millionen Euro in die Rad-Infrastruktur investiert wurde, wuchs der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr von 4,6 Prozent bis 2014 auf gerade einmal 7,1 Prozent. Damit wird Vassilakou ihr ursprüngliches Ziel, noch heuer die Zehn-Prozent-Marke zu überschreiten, nicht mehr schaffen. "Es hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt, wenn auch zu langsam", räumt sie ein. Mittlerweile gibt sich die Vizebürgermeisterin mit acht Prozent für 2015 zufrieden.

Eher langsam wuchs seit 2010 auch das Radweg-Netz. Um gerade einmal 96 km auf insgesamt 1270 km (siehe Grafik).

Für das Scheitern der beherzten grünen Radverkehrspläne hat Vassilakou einen Hauptverantwortlichen ausgemacht: "Rund 80 Prozent der Maßnahmen im Bereich Radfahr-Infrastruktur fallen in die Kompetenz der Bezirke. Einige davon haben genau Null unternommen", kritisiert sie. "Diese Zögerlichkeit ist absolut unverständlich", denn von der Verlagerung des Radverkehrs würden nicht nur die Biker selbst, sondern letztlich auch die Autofahrer profitieren.

Besonders schleppend sei der Ausbau der Radstraßen als schnelle Radialverbindungen vorangegangen, bemängelt Vassilakou. Nach wie vor gebe es Wien-weit nur zwei solcher Strecken.

Laut Rathaus-Statistik, die Zahlen von 2010 bis 2013 ausweist, hat die Leopoldstadt in diesem Zeitraum mit knapp 6300 Euro am wenigsten für den Radverkehr ausgegeben. Am anderen Ende der Statistik steht der Alsergrund mit 440.000 Euro für den Radverkehr.

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Mehr Sicherheit

Auf das Wohlwollen der Bezirke ist Vassilakou auch bei der nächsten geplanten Maßnahme angewiesen: Neue Bodenmarkierungen sollen in besonders engen Straßen, wo kein Platz für einen Radstreifen ist, den Radlern anzeigen, wo sie am sichersten fahren können. Diese "Sharrows" (ein weißes Radsymbol samt Pfeil) sollen Unfälle durch plötzlich geöffnete Autotüren verhindern, da die Radler mehr Abstand zu geparkten Pkw halten. Auch überholende Autofahrer verhalten sich vorsichtiger, wie erste Tests gezeigt haben.

Weitaus kostspieliger ist ein anderes für heuer geplantes Projekt: Der Judith-Deutsch-Steg, der das Nordbahnhof-Areal an die Donau anbinden wird. Mit 4,7 Millionen Euro Baukosten handle es sich laut Vassilakou um eine der größten Einzel-Investitionen der vergangenen zehn Jahre.

Trotz millionenschwerer Werbung kommt das Radfahren in Wien nicht vom Fleck. Das hat auch damit zu tun, dass die Mobilitätsagentur zwar brav fürs Radeln wirbt, der Ausbau der Infrastruktur aber schleppend läuft. 96 Kilometer in vier Jahren sind einfach zu wenig. Nach wie vor ist der Ring-Radweg nicht lückenlos geschlossen, am Getreidemarkt wollte man Radler quer über zwei(!) Auto-Fahrspuren lenken. Auf der Zweierlinie gibt es sechs Autospuren, die Radler haben dagegen zwei 50 Zentimeter breite Streifen, die noch um Lichtmasten führen. Von den von Grün-Chefin Maria Vassilakou groß angekündigten Radstraßen gibt es genau zwei: Eine in Ottakring und eine am Kuchelauer Hafen.

Wenn die Grünen den Radverkehr in Wien nachhaltig steigern wollen, müssen sie mehr Radwege bauen. Dafür müssten sie aber über ihren Schatten springen und den Dialog mit den Bezirken suchen.