Chronik/Wien

"Fünf vor Zwölf": Wiener Spitalsärzte klagen über Erschöpfung

Wiens Spitalsärzten geht es nicht gut. Laut zwei Befragungen der Wiener Ärztekammer und des Betriebsrats an der Medizinuni der Bundeshauptstadt leiden sie unter schlechten Arbeitsbedingungen, unbesetzten Stellen, wenig Zeit für Forschung und unzulänglicher Bezahlung.

Auch Erschöpfung, Krankheitsgefühl und Burnout-Ängste herrschen vor. Schon jetzt wandern viele deswegen ins Ausland ab, warnte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres am Donnerstag in einer Pressekonferenz.

Über die Hälfte der befragten Spitalsmediziner bezeichnete sich als „sehr oft“ oder „oft“ emotional oder körperlich erschöpft. Rechnet man „manchmal“ hinzu, sind es sogar über 80 Prozent. Rund 60 Prozent sind es bei „fühle mich allein gelassen“, etwa die Hälfte bei „fühle mich geschwächt/anfällig krank zu werden“ und „denke, dass ich es nicht mehr aushalte“.

Rund 35 Prozent stimmen der Aussage „habe das Gefühl, an einem Burnout zu leiden“ zumindest „manchmal“ zu.

"Fünf Minuten vor Zwölf"

Der Wiener Kammer-Vizepäsident Gerald Gingold bezeichnete dies als ein „mehr als alarmierendes Zeichen“, für Szekreres sind die Dienstgeber gefordert: „Es ist fünf Minuten vor Zwölf.“

Gingold sprach sich gemeinsam mit dem Med-Uni-Betriebsratsvorsitzenden Johannes Kastner für eine Attraktivierung der Arbeitsbedingungen, flexiblere Arbeitszeiten, vernünftige Kinderbetreuung vor Ort und eine marktgerechte Anpassung der Gehälter aus. Generell brauche es mehr medizinisches Personal und einen vernünftigen Recruitingprozess dafür.

Belastung durch bürokratischen Aufwand

Belastet fühlen sich die Mediziner in den Krankenhäusern am meisten durch den hohen bürokratischen Aufwand. Dahinter folgen in der Kammer-Umfrage Personalknappheit, psychische Belastung, Ressourcenknappheit, Ansteckungsgefahr und Überstunden.

Laut der zweiten Befragung, die im Juli und August unter Wiener AKH-Ärzten durchgeführt wurde, sind 45 Prozent mit ihren Arbeitszeiten unzufrieden, bei den Wissenschaftszeiten sind es sogar 74 Prozent, sagte Kastner. Ebenfalls drei Viertel sind mit ihrem Grundgehalt unzufrieden. 84 Prozent sind für eine Wahlmöglichkeit zwischen Zeitausgleich und Geldleistung bei der Abgeltung ihrer Überstunden.

Noch auf der guten Seite sei man bei der Bewertung der medizinischen Qualität im AKH, rund 70 Prozent der Ärzte vergeben hier ein „Sehr gut“ oder „Gut“. Fast zwei Drittel sind auch bereit, weiterhin 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. „In Summe zeigt das, dass die Leute noch immer motiviert sind“, so Kastner.