FPÖ drängt erneut auf Verbot von Schächtungen
Von Bernhard Ichner
79 Schafe, die auf einer steirischen Weide illegal geschächtet wurden – ohne Betäubung und ohne tierärztliche Aufsicht. Strafrechtlich ein klarer Fall von Tierquälerei. Trotzdem dient der Vorfall im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld, der im September Schlagzeilen machte, der FPÖ als Argument für ein Verbot des rituellen Ausblutenlassens von Tieren aus religiösen Gründen. Einen neuen Vorstoß unternehmen nun die Wiener Freiheitlichen mit ihrer Online-Petition gegen die „barbarische Tötungspraxis“. Ähnliche Kampagnen fahren auch die niederösterreichische und die steirische FPÖ.
Bei Tierschutzorganisationen laufen die Blauen allerdings keine offenen Türen ein. Zwar lehnen sowohl „Vier Pfoten“, als auch der „Verein gegen Tierfabriken“ (VgT) die im Judentum und im Islam religiös vorgeschriebene (und in einigen EU-Ländern verbotene) Art zu schlachten ab. „Vor den populistischen Karren spannen lassen“ wollen sie sich allerdings nicht.
"Hohe Dunkelziffer"
Guggenbichler stellt in der Petition infrage, dass aufgrund des schlagartigen Blutabfalls und des Aussetzens der Sauerstoffversorgung eine sofortige Bewusstlosigkeit ohne nennenswerte Schmerzen eintritt – wie Befürworter des Schächtens versichern. Er zitiert (nicht näher genannte) Aufnahmen, die einen „mehrminütigen Todeskampf“ von Tieren nach dem rituellen Kehlschnitt dokumentieren sollen und spricht von einer „hohen Dunkelziffer an Schächtungen im Gemeindebau“.
Das ist nicht der erste Vorstoß der Freiheitlichen in diese Richtung. In Österreich wurde die Schächtung den beiden Glaubensgemeinschaften 1998 allerdings vom Verfassungsgerichtshof garantiert; die Praxis ist im Tierschutzgesetz geregelt. Damit Fleisch für Juden als koscher bzw. für Muslime als halal gilt, muss nach den jeweiligen religiösen Richtlinien geschlachtet werden. Zwingend vorgeschrieben ist beiden Glaubensgemeinschaften darüber hinaus aber das „Post Cut Stunning“ (PCS) – also das Betäuben des Tiers unmittelbar (innerhalb einer Sekunde) nachdem die Halsschlagader durchtrennt wurde. Die Tötung darf nur unter tierärztlicher Aufsicht in zertifizierten Schlachtbetrieben erfolgen. Davon gibt es bundesweit keine zehn. Und in Wien überhaupt keinen.
Nach Ansicht der Tierschützer reicht das PCS nicht aus – wenn es auch das Leid des Tieres nach dem Kehlschnitt „dramatisch verkürzt“. Sowohl „Vier Pfoten“ als auch VgT plädieren für eine Betäubung vor dem Schächtschnitt – was allerdings den religiösen Vorschriften im Islam und im Judentum widerspricht. Und nach Ansicht muslimischer und jüdischer Schächtexperten auch aus Tierschutzgründen abzulehnen sei.
Tierschützer für Null-Toleranz-Politik
Die Schächtung müsse „fachmännisch ausgeführt“ werden – „also von jemandem, der eine Ausbildung als Fleischhauer oder vergleichbares Fachwissen hat“, erklärt Imam Tarafa Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ). Der „einmalig gesetzte Schächtstreich“ müsse zur sofortigen Tötung des Tiers führen, jeglichen Stress – etwa durch lange Transporte – gelte es zu vermeiden.
Rabbiner Schlomo Hofmeister schließt private Schlachtungen dagegen kategorisch aus. Zumal jüdische Schächter eine mehrjährige Ausbildung benötigen – ist die rituelle Schlachtung doch den Rabbinern vorbehalten. Unter 8000 Juden in Österreich gebe es gerade einmal drei Schächter.
"Hochwertige Haltung der Tiere"
Anders als in der Massentierhaltung seien lange, Stress-verursachende Transporte ausgeschlossen. Das ließe sich wissenschaftlich belegen: „Bei koscherem Fleisch ist der Adrenalin-Gehalt fast derselbe, wie beim lebenden Tier“, sagt Hofmeister. „Bei kommerziell geschlachtetem Fleisch ist er 100fach höher.“ (Adrenalin ist das Stresshormon; Anm.)
Zudem werde aus religiösen Gründen höchster Wert auf eine qualitativ hochwertige Haltung der Tiere gelegt. „Wenn die Tiere verletzt waren, etwa weil sie dicht gepfercht im Lkw transportiert wurden, dann ist das Fleisch nicht koscher“, erklärt Hofmeister. „Das können wir bei der Fleischbeschau nach der Schlachtung ebenso feststellen, wie, ob das Vieh mit Tiermehl gefüttert oder in der Dunkelheit gehalten wurde.“
Eine Betäubung vor der Schächtung lehnen Juden wie Muslime ab. Zum einen, weil sie der religiösen Vorschrift widersprechen würde – wodurch das Fleisch nicht koscher bzw. halal wäre. Zum anderen weil sie – etwa bei ungenauer Setzung des Bolzenschusses – dem Tier zusätzliche Schmerzen und Stress verursache. „In der kommerziellen Schlachtung kommt es in etwa 30 Prozent der Fälle zu keiner Betäubung.“
"Purer Populismus"
Der Vorstoß der FPÖ wird von beiden Glaubensgemeinschaften als purer Populismus verstanden. Hofmeister findet es zudem „absurd, dass gerade die Blauen bei Mitmenschlichkeit sehr rationale, um nicht zu sagen herzlose Maßstäbe ansetzen – beim Thema Schlachtung aber ihr Herz für Tiere entdecken.“ Es sei bedenklich, dass gerade das Schächten als Problem angesehen werde, „es jedoch keine Bedenken der Blauen gegen die tatsächlichen Missstände bei kommerziellen Schlachtungen und Massentierhaltung“ gebe.