Vom Grätzel in die Galerie: Wo es Street Art von Frauen zu sehen gibt
Von Anna Strobl
Ob Hauswand, Treppengeländer oder Laternen – es gibt kaum einen Ort, der sich nicht für Street Art, also Straßenkunst, eignet. Bekannte Namen wie Banksy, Roa und Vhils verschönern mit ihren Werken regelmäßig unscheinbare Fassaden.
Was sie abgesehen vom Beruf gemeinsam haben? Sie sind männlich.
Doch ist Street Art wirklich primär eine männlich geprägte Szene? „Bei uns ist Street Art im Galerie- und Museumskontext nicht so stark vertreten. Das heißt, die Kunstrichtung ist weniger sichtbar“, erklärt Jakob Kattner, Gründer und Organisator des Calle Libre Festivals.
„Trotzdem ist ein Ungleichgewicht klar erkennbar", sagt Kattner. Zahlenmäßig seien Künstler in der Szene stärker vertreten als Künstlerinnen, weshalb sie automatisch präsenter erscheinen.
Das soll jedoch nicht so bleiben, wenn es nach Kattner geht: "Weibliche Künstlerinnen müssen unterstützt werden." Die Gruppenausstellung „Comm:unity“, die bis 18. Mai in der Galerie Gerald Hartinger zu sehen ist, räumt deshalb der weiblichen Street Art Platz ein. Zu sehen sind die Werke von sechs Künstlerinnen. Eine davon ist die Österreicherin Frau Isa.
Früh übt sich
Die 38-Jährige arbeitet als Künstlerin und Illustratorin in Wien, Umgebung und international . Mit nur 16 Jahren hat Frau Isa mit Graffiti begonnen.
„Man ist schnell als illegaler Sprüher abgetan worden“, erzählt sie von ihren Anfängen. Sie selbst habe jedoch nur auf legal freigegebenen Flächen gesprüht – darunter auch am Donaukanal. Graffiti sei nämlich stark an legale Flächen gebunden, also Flächen, auf denen es erlaubt ist, Schriftzüge und dergleichen zu sprühen, erklärt die Künstlerin. Beispielsweise bietet die Stadt Wien der Graffitiszene mit der Wienerwand legale Graffiti-Flächen an.
Street Art hingegen gehe in eine andere Richtung: „Es ist eine Kunstform, die die Stadt bereichern soll. Kunst, die man sowohl auf der Leinwand als auch in der Stadt malt.“
Für viele Menschen sei es dennoch schwierig, die beiden zu unterscheiden, da die Grenzen auch verschwimmen können. "Graffiti kann zudem leicht aggressiv erscheinen, deshalb verwechseln es manche mit Vandalismus oder Schmierereien", ergänzt Kattner.
Hoch hinaus
Früher kam es durchaus vor, dass die Polizei verständigt wurde, während Frau Isa ihrer Arbeit nachging. "Heute passiert das selten", sagt sie. Das liege vor allem daran, dass sie die meiste Zeit mit der Hilfe eines Krans an Wiens Häuserfassaden male. "Da wissen Leute eher, dass es kein illegaler Akt ist."
Mittlerweile arbeitet Frau Isa mit der Stadt Wien zusammen, um weniger schöne Ecken aufzuwerten. Unlängst hat sie ein Wohnhaus bemalt: "Anfangs haben Leute dort geschimpft, weil sie dachten, ich mache ein Graffiti. Als sie bemerkt haben, dass ich ein Bild male, hat sich das Blatt gewendet."
Sie habe gemerkt, dass ihre Werke positive Auswirkungen auf Menschen haben können, die dort wohnen. Man spüre die Wertschätzung, dass etwas an weniger attraktiven Flächen und Fassaden gemacht wird. "Das ist für mich ein schöner Nebeneffekt meiner Arbeit."
Bis zum 18. Mai können in der Galerie Hartinger (Spiegelgasse 21, 1010 Wien) die Werke von sechs Künstlerinnen aus der gegenwärtigen Street-Art-Szene angeschaut werden.
Ausgestellt sind die Stücke der Künstlerinnen
- Frau Isa (Österreich)
- Linda Steiner (Österreich)
- Swoon (USA)
- Yessiow (Bali)
- Ledania (Kolumbien)
- Jumu Monster (Deutschland)
Nähere Details gibt es auf der Website.
Quotenfrau
Häufig wiederkehrende Motive in Frau Isas Werken sind Frauen: "Ich male fast ausschließlich Frauen und Objekte, die ihre Geschichte erzählen." Doch nicht im Bild müsse man Frauen sichtbar zeigen: "Man muss die Frauen in der Szene mehr hervorheben." Nur so könne man junge Frauen motivieren, sich ebenfalls in der Kunstform auszuprobieren.
Früher sei Frau Isa oft die Quotenfrau gewesen, sagt sie zum KURIER. Heute sei das etwas besser, aber Street Art sei dennoch männlich dominiert. Woran das liegt?
"Es ist eine grobe Art zu arbeiten. Man ist auch auf baustellenartigen Plätzen oder hängt am Kran. Das schreckt viele ab", erklärt sie.
Schrittweise Öffnung
Dabei sei der Einfluss von Frauen im Stadtbild ebenso wichtig. "Frauen sind oft sanfter beim Malen und in ihrer Stilrichtung, nicht ganz so aufdringlich", sagt Frau Isa. "Ich merke, dass viele Frauen in ihrer Kunst figurativ und bunt arbeiten", erläutert Kattner. Blumen oder Menschen seien dabei häufige Motive in der Stadtkunst.
Es gehe aber gerade in eine Richtung, wo man erkenne, dass weiblicher Einfluss stattfindet. Sanfte und ruhige Bilder würde man momentan bei allen Geschlechtern stärker finden.
"Wien ist viel offener geworden", erzählt Frau Isa. Die Stadt habe den Mehrwert der Kunst erkannt. "Das Stadtbild beinhaltet jetzt auch Bilder, mit denen sich die Menschen identifizieren können."