Chronik/Wien

Wien putzt sich heraus

"Guten Morgen. Seit sieben Jahren gilt das Wiener Reinhaltegesetz. Sie haben soeben dagegen verstoßen. Ham S’ an Ausweis?" Waste Watcher Georg muss an diesem Vormittag eine Frau bei der Straßenbahnstation in der Alaudagasse im 10. Bezirk "beamtshandeln".

Wien will dank "Eurowischn Putz Contest" glänzen

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Sie hat einen Zigarettenstummel auf den Gehsteig geworfen– obwohl der nächste Mistkübel samt Aschenrohr nicht einmal einen halben Meter entfernt steht. "Das macht 36 Euro bitte", sagt Waste Watcher Georg K. zu der Frau. Doch die will nicht zahlen: "36 Euro? Für die Zigarette? 20 Euro können S’ haben, mehr nicht." Aber verhandeln kann man mit einem Waste Watcher nicht. 36 Euro kostet die Strafe. Wer uneinsichtig ist, muss mit einer Anzeige und einer noch viel höheren Strafe rechnen. 320 Euro sind keine Seltenheit.

Weniger Strafen

Wien befindet sich derzeit im Frühjahrsputz. Die MA48 etwa macht großflächig auf Plakaten darauf aufmerksam, dass das Wegwerfen eines Tschickstummels etwas kostet. Und nicht wenig: 36 Euro für eine Zigarette auf der Straße, 75 Euro, wenn man sie aus dem Auto wirft. Wer das Hunde-Gackerl nicht in ein Sackerl gibt, muss ebenso mit 36 Euro Strafe rechnen. Seit Anfang des Jahres wurden in Wien 115 Strafmandate in Sachen Gackerl-Sackerl verteilt und 464 in Sachen Tschickstummel. 2014 waren es noch 211 (Hundekot) und 664 (Zigaretten).

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Laut einer Umfrage der MA48 befinden 28 Prozent der Wiener ihre Stadt für sauberer, seit die Strafen eingeführt wurden.

Dass den Wienern eine saubere Stadt wichtig ist, zeigt auch die alljährliche Frühjahrsputzaktion, die heuer bereits zum 10. Mal stattfindet. Motto – wie könnte es anders sein in diesem Jahr – "Eurowischen". Bis 4. Mai soll die Stadt für den Eurovision Song Contest heraus geputzt werden. 17.000 Wiener und 392 Initiativen haben sich schon angemeldet, um freiwillig beim Putzen zu helfen. "Was man einmal selbst geputzt hat, darauf achtet man in der Folge vermehrt", sagt Umweltstadträtin Ulli Sima. Wer freiwillig helfen will – allein oder in der Gruppe – bekommt von der MA48 Müllsäcke, Warnwesten, Handschuhe und Kapperl. Seit Bestehen der Aktion wurden von den Wienern 200 Tonnen Müll gesammelt.

Sensibilisiert

Schauplatzwechsel nach Favoriten. Waste Watcher Georg muss in der Alaudagasse gemeinsam mit seiner Kollegin Karin in einer Stunde vier Menschen wegen weggeworfener Tschickstummel "beamtshandeln". Gestraft wurden nur zwei. "Wenn die Menschen ihre Zigarette aufheben, entsorgen und einsichtig sind, belassen wir es auch einmal bei einer Verwarnung", sagt der Waste Watcher. So wie bei dem jungen Mann, der seine Zigarette noch schnell wegwirft, weil die Straßenbahn kommt. Nach der Aufklärung durch die Waste Watcher tut es dem jungen Mann schon leid. "Ich hab‘ das einfach nicht bedacht", sagt er und hebt seinen Tschick auf.

2014 wurden in Wien insgesamt 679 Organmandate wegen nicht entsorgtem Hundekot verhängt und 2521 wegen weggeworfener Zigarettenstummel. Gleichzeitig wurden im Vorjahr auch 100 Millionen Tschick-stummel in 19.200 Aschenrohren entsorgt – so viele wie noch nie. "Die Leute sind mittlerweile sensibilisiert", sagt Georg. "Früher haben uns die Hundehalter auch vor unsere Schuhspitzen – Sie wissen schon – gacken lassen. Das gibt es nicht mehr."

Dass aber auch ein kleiner Zigarettenstummel zu einer Strafe mit 36 Euro führt, haben noch immer nicht alle verinnerlicht. "Je mehr wir streiten müssen, desto blöder ist es", sagt Waste Wachter Karin. "Und glauben Sie mir, wir werden so gut wie alles geheißen."

Die Sprüche auf den Wiener Mistkübeln sind fast schon berühmt. "Host an Tschick?" oder "Willst du mich veraschen?" steht etwa auf deren Aschenrohren.

Wegen des Eurovision Song Contests am 23. Mai wurde jetzt sogar der alljährliche Wiener Frühjahrsputz in "EuroWischen" umbenannt. Und auch die Sprüche auf den Mistkübeln werden musikalisch angepasst: Alle Kübel in der Nähe der Veranstaltungsorte zum Songcontest (Rathaus, Stadthalle etc.) werden neu beklebt mit Sprüchen wie: "Zeit für Gefülle" oder "Beifall für Abfall". Die Mistautos der 48er bekommen die Aufschrift "Beim Mist geigma auf", die Sackerl-Spender "Shit, des is ka Hit".