Rappen gegen Hass und Intoleranz
Von Bernhard Ichner
Schwarze Lederjacke, Baggy-Pants und Totenkopf-Ohrringe. Esra Özmen sieht man ihre türkischen Wurzeln nicht auf den ersten Blick an. Die 22-jährige Kunststudentin räumt gern mit Klischees auf. Gemeinsam mit ihrem Bruder Enes (19) bedient sie sich des ansonsten Männer-dominierten Musikgenres Rap, um sich Gehör zu verschaffen. Als „EsRap“ wollen die beiden Sprachrohr für Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen sein.
Einem breiteren Publikum sind Esra und Enes seit ihrem Auftritt vor der Wiener Votivkirche bekannt. Unter dem Motto „Kunst für Widerstand“ solidarisierten sich dort vor Kurzem Kritiker des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit den Demonstranten vom Istanbuler Taksim-Platz.
In den EsRap-Texten thematisiert das Geschwisterpaar sowohl auf Deutsch, als auch auf Türkisch die Gleichstellung der Frauen, Fremdsein im eigenen Land und die Notwendigkeit, sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen.
Entgegen allen Rap-Klischees übernimmt die junge Frau dabei den schnellen Sprechgesang, während ihr Bruder den melodiösen Background-Gesang beisteuert. Ihre Inspiration finden EsRap in der orientalisch-türkischen sowie der arabesken Musik (siehe Info).
Vorurteile
Die politischen Entwicklungen in der Türkei sind zurzeit auch unter türkischstämmigen Jugendlichen in Österreich ein brandheißes Gesprächsthema. Wobei EsRap mit ihrer kritischen Haltung („es gab Tote, Verletzte und Chaos – wie kann man das gut finden?“) einer Minderheit angehören. In ihrem Bekanntenkreis gibt es weit mehr Erdogan-Fans, als -Kritiker.
„Der Grund ist, dass sich viele Jugendliche nicht auskennen“, meint Esra. „Sie verstehen jede Kritik an Erdogan als Kritik an den Türken. Wenn man versucht, über das Thema zu diskutieren, wird man mit vielen Vorurteilen konfrontiert: Wenn du zum Beispiel zu den Demonstranten im Gezi-Park hältst, dann bist du entweder ,nicht religiös oder kein Türke‘. Aber was hat meine Religion mit dem Gezi-Park zu tun?“
Dass viele junge Türken – österreichische Staatsbürger oder nicht – mit dem konservativen Machtmenschen Erdogan sympathisieren, überrascht die beiden Musiker nicht. „Das kommt daher, weil er ein Macho ist“, sagt Enes. „Er demonstriert Stärke und traut sich, Nein zu sagen. Dabei ist er laut und redet wie einer aus dem Volk. Er ist einer von vielen – und das gefällt vielen.“
Esra und Enes können der Gezi-Park-Bewegung viel abgewinnen: „Dort haben alle miteinander demonstriert: Türken, Kurden und Aleviten, Alte und Junge. Gezi-Park steht für Durchmischung. Aber genau davor haben die Erdogan-Anhänger Angst – sie fürchten, durch zu viele verschiedene Strömungen könnte die Türkei zerfallen. Und diese Angst schweißt sie zusammen. Dabei sollte es um Menschlichkeit gehen. Man muss sich auf anders Denkende einlassen können.“
Im Freundeskreis steht Esra mit dieser Meinung oft allein da, verbale Attacken sind keine Seltenheit mehr. „Darauf antworte ich mit meinen Raps.“
EsRap: "Ausländer mit Vergnügen"
Zwölf Lieder hat das Duo EsRap bereits, zu zwei davon gibt es auf YouTube professionell gedrehte Videos zu sehen. Unterstützt wird die Band von der mobilen Jugendbetreuung „Back Bone“ im 20. Bezirk. Ein Album ist zurzeit in Vorbereitung. Der bis dato größte Hit heißt „Ausländer mit Vergnügen“. Ihre Inspiration finden Esra und Enes in der arabesken Musik. Das ist eine Mischung aus arabischen Klängen, türkischer Volks- und westlicher Popmusik.
Auftritte
Heute, Samstag, spielen EsRap in der Früh in Salzburg und am Abend in Tirol. Konzerttermine sind auf ihrer Facebook-Seite zu finden