Chronik/Wien

Erstmals werden Gewaltdelikte an Schulen polizeilich erfasst

Lehrergewerkschafter thematisieren immer öfter die zunehmende Gewaltbereitschaft an Wiens Schulen. Zudem würden insbesondere muslimische Jugendliche religiöse Vorschriften über Unterrichtsinhalte stellen, berichten sie. Den Schulen stünden jedoch zu wenig Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, lautet die Kritik.

Am runden Tisch, an dem neben Lehrern, Eltern, Schülern, Schulpsychologen, Sozialarbeitern, Polizei und Vertretern der Rathausparteien auch Religionsvertreter Platz nehmen, will der Stadtschulrat nun Lösungen erarbeiten. Am Dienstag fand die erste Sitzung statt. Erste konkrete Maßnahmen wurden bereits vereinbart. So soll in Kooperation mit der Polizei erstmals die tatsächliche Dimension des Themas Gewalt an Schulen erfasst werden.

Erste Statistik

Bis dato gab es hierzu ja keinerlei seriöses Zahlenmaterial. Eine Boulevardzeitung berichtete zwar über „rund 1600 Strafanzeigen pro Jahr wegen Gewalt an Wiener Schulen“. Man berief sich dabei aber auf eine „inoffizielle Quelle“ – und weder Polizei, noch Schulbehörde konnten die Zahl bestätigen. „Das Thema muss endlich anhand von Fakten diskutiert werden“, sagt Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer.

Dass es bis dato keine zuverlässige Statistik zu Gewaltdelikten an Schulen gab, hat mit der Erfassung von Anzeigen zu tun. Diese werden bei der Polizei nämlich Adressen, nicht aber Institutionen zugeordnet. Darum werde man nun gemeinsam mit der Exekutive die Adressen aus den Anzeigen mit jenen der Schulen abgleichen, heißt es beim Stadtschulrat.

Weiters wurde die Erstellung von zwei Broschüren in Auftrag gegeben. Diese sollen Lehrer, Eltern und auch Schüler über die Rechtsgrundlagen informieren. Insbesondere für Pädagogen geht daraus hervor, wann ein Anzeigerecht bzw. wann eine Anzeigepflicht besteht. „Mit den neuen Materialien möchten wir den Lehrern den Rücken stärken und ihre Handlungsfähigkeit erhöhen“, betont Himmer.

42 Schulverweise

Überdies wurde eine Arbeitsgruppe vereinbart, in der über das sensible Thema Suspendierungen debattiert wird. Ziel ist, dass diese künftig nicht bloß einen temporären Schulverweis bedeuten, sondern je nach Sachlage auch zur direkten Kooperation mit Institutionen, wie Jugendwohlfahrt oder Polizei führen.

Bei Gefahr im Verzug ist es jetzt schon möglich, einen Schüler bis zu vier Wochen lang zu suspendieren. Allein heuer im April wurden in Wien 42 Schulverweise verhängt. Der Stadtschulrat beanstandet aber, dass es während dieser Straf-Auszeit kein verpflichtendes Verfahren gebe. „Dabei wäre eine individuelle Fallbehandlung so wichtig“, erklärt Sprecher Matias Meissner. „Sonst sitzt das Kind einfach vier Wochen lang nicht in der Klasse, sein Problem bleibt aber ungelöst.“

Die Datenerfassung sowie die Broschürenerstellung sollen bis Herbst umgesetzt werden. Zudem ist ebenfalls im Herbst ein weiterer runder Tisch geplant. Das Thema sei „viel zu ernst, als dass es mit einer Runde gelöst werden könne“, erklärt Himmer. Die Veranstaltung vom Dienstag sei deshalb bloß als Auftakt eines laufenden Prozesses zu verstehen.