Erdgeschoßzonen: Die Wiener City steht leer
Von Julia Schrenk
Die gute Nachricht ist: Die Insolvenzwelle hat Wien noch nicht erreicht.
Die schlechte Nachricht ist: Sie könnte unmittelbar bevorstehen.
Denn die Nachfrage nach verfügbaren Geschäften ist gesunken – und zwar um zehn Prozent im Vergleich zum Jänner 2020. „Das könnte gefährlich werden“, sagt der Wiener Standortanwalt Alexander Biach. „Die Frage ist, ob es uns gelingt, dass diese Welle nicht bricht.“ Das hängt vor allem von den leer stehenden Geschäftslokalen in den Einkaufsstraßen ab – und deren Wiedervermietung.
450 Geschäfte stehen derzeit leer. Diese 450 sind offizielle, bei der Wirtschaftskammer zur Vermietung gemeldete Leerstände. Das hört sich nach wenig an, aber nicht jedes Lokal, das leer erscheint, ist auch ungenutzt. Oft sind das Räume, die vermietet, aber noch nicht bezogen sind, manchmal sind es Lager und manchmal auch Flächen, für die ein aufrechtes Mietverhältnis besteht, die aber nicht genützt werden.
Dass die Nachfrage nach Geschäftsflächen aktuell niedriger ist, hat – natürlich – mit Corona zu tun. Und zwar vor allem damit, dass Geschäftstreibende nicht unbedingt dann aufsperren wollen, wenn gerade Lockdown ist. Viele verschieben daher laut Kammer ihren geplanten Eröffnungstermin. Und jene, die eine Geschäftserweiterung geplant haben, haben diese mitunter (vorerst) abgesagt.
Überraschend kommt das nicht, die Auswirkungen sind trotzdem groß. Laut Biach entgehen der Stadt 240 Millionen Euro an Wertschöpfung für das Bruttoregionalprodukt. Das entspricht 2.047 Arbeitsplätzen. Und der Bund fällt laut den Berechnungen der Wirtschaftskammer um knapp 170 Millionen Euro Steuereinnahmen um.
Die meisten Geschäfte stehen derzeit im ersten Bezirk frei – knapp 45 der insgesamt 450 bei der Kammer gemeldeten. Der ausbleibende Tourismus hat auch in den Erdgeschoßen der City Spuren hinterlassen. Danach folgen Landstraße (knapp über 40) und Favoriten (knapp unter 40). In beiden Bezirken tritt der Leerstand vor allem an der Peripherie zutage.
Beliebter 3. Bezirk
Auch wo und welche Geschäftsflächen gesucht werden, hat die Pandemie verändert. 2019 war die Nachfrage nach Gastro-Lokalen am größten (14 Prozent), erst danach kamen Flächen für Handel (13,6) und Dienstleistungen (12,6). 2020 hat sich dieser Trend umgekehrt.
Was gesucht wird, sind Handels- und Gewerbeflächen – Stichwort Friseur – und zwar am besten nicht allzu große: 45 bis 139 Quadratmeter soll das Geschäft maximal haben. Verfügbar sind derzeit aber durchschnittlich 200 Quadratmeter große Flächen – zu viel in Zeiten wie diesen.
Am stärksten nachgefragt werden aktuell Geschäfte rund um den Rochusmarkt im dritten Bezirk, gefolgt vom Karmeliterviertel sowie Gumpendorfer sowie Mariahilfer Straße.
„Das brachliegende Potenzial muss gehoben werden“, sagt Biach. Dass die Wirtschaftsagentur nun eine neue, gezielte Förderung ins Leben gerufen hat, lobt der Standortanwalt explizit. Ein anderer Vorschlag zu Belebung: Vermieter und Mieter einigen sich auf eine gestaffelte Miete.
Wer investiert, zahlt zunächst weniger und erst später den vollen Mietpreis. Bis 26. Februar können sich die Gemeinden auch noch Geld aus dem Recovery-Plan der EU holen – Stichwort: Grätzel-Million. Auch das eine ganz gute Nachricht.