Chronik/Wien

Endlich ein Zuhause für Sayed und Ali

Sayed (17) kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auf dem Couchtisch in seiner künftigen Wohnung steht ein großer Geschenkskorb, im Bad sind sogar schon zwei Zahnbürsten im Zahnputzbecher. "Wir kommen unbedingt", sagt Sayed. Nächste Woche kann er gemeinsam mit seinem Freund Ali (17) in seine erste eigene Wohnung ziehen.

Ranthild Salzer-Fölß (70), Pharmazeutin aus Wien, hatte sich beim KURIER gemeldet. Sie wollte die 60 große Wohnung im Dachgeschoß ihres Hauses in Gersthof Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Die Caritas hat bei der Vermittlung geholfen (siehe unten).

Im Februar 2013 sind Sayed und Ali nach Österreich gekommen. Sieben Monate lang waren sie auf der Flucht gewesen – auf dem Weg von Afghanistan nach Österreich haben einander die damals 15-Jährigen kennengelernt, in Wien haben sie sich angefreundet. "Ich habe schon Heimweh", sagt Sayed. Sein Vater wurde ermordet. Er hatte Amerikaner mit dem Auto herumgefahren. Auch Sayed war in Gefahr. "Zurück kann ich nicht", sagt Sayed. Er freut sich, bald sein erstes eigenes Zuhause in Wien zu haben.

"Wir sind sehr ordentlich", sagen Sayed und Ali in beeindruckendem Deutsch. Man merkt, dass sie bei Ranthild Salzer-Fölß einen guten Eindruck hinterlassen wollen. Dabei sind die beiden vermutlich ohnehin das, was man in Österreich unter "Vorzeige-Flüchtlingen" versteht.

Leben und Lernen

Binnen kürzester Zeit haben sie Deutsch gelernt, ihren Hauptschulabschluss gemacht und Praktika absolviert. Ali wird bald eine HTL besuchen, Sayed will Rezeptionist werden. Sie lernen viel und wissen vielleicht mehr über Wien als so mancher frisch Zugezogener. Ali geht sogar in die Tanzschule. "Wir interessieren uns einfach für Wien", sagen sie. Das wollen sie auch Ranthild Salzer-Fölß zeigen.

Die 70-jährige Apothekerin, die noch immer voll im Berufsleben steht, legt Wert auf Bildung. Vorsorglich hat sie ein Bücherregal und einen Schreibtisch in die Wohnung gestellt. "Da könnt ihr in Ruhe studieren", sagt sie. Als sie den Burschen die Küche zeigt, laden sie sie gleich zum Essen sein. "Wir werden einmal afghanisch für Sie kochen", sagen sie.

Ranthild Salzer freut sich, helfen zu können. "In der Nachbarschaft wird man zwar vielleicht denken: Was die Salzer macht, ist allerhand. Holt sich zwei junge Männer ins Haus." Aber das macht ihr nichts. "Die beiden sind wissbegierig, intelligent und freundlich. Ich werde versuchen, ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen." Solange die beiden brav studieren, versteht sich.

Derzeit leben rund 8000 Flüchtlinge in Wien, 5200 von ihnen wohnen laut dem Fonds Soziales Wien in privaten Unterkünften. Die Caritas sucht immer wieder Wohnraum für Asylwerber, anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Vor allem in Ballungsräumen ist leistbarer Wohnraum ein immer größer werdendes Problem.
Wer privat Flüchtlinge aufnehmen will, kann sich u. a. an die Caritas wenden. Wird einem Flüchtling eine Wohnung angeboten, tritt die Caritas als Mieter auf oder vermittelt den Flüchtling direkt an den Quartiergeber. Es folgen eine Wohnungsbesichtigung und ein Gespräch. Ideal sind Wohnungen für einen längeren Zeitraum, mit guter Infrastruktur und Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. www.caritas-wien.at