Chronik/Wien

Polizei jagte „Mülltaucher“ und fing Seelsorger

Sie ernähren sich von dem, was andere wegwerfen: Dumpster Diver, also Mülltaucher, sind vor allem in Großstädten aktiv. Sie fischen ihre Nahrung aus Supermarkt-Abfallcontainern; nicht immer auf legalem Weg. Die Polizei legte sich Montagabend in einem Supermarkt in Wien-Landstraße auf die Lauer – und erwischte prompt drei Mülltaucher. Einer davon ist Seelsorger.

Zeichen setzen

„Ich wollte ein Zeichen gegen die Wegwerf-Gesellschaft setzen“, rechtfertigt sich der Altenbetreuer der Caritas. Doch das Mülltauchen im Supermarkt in der Schlachthausgasse war gar nicht das wesentliche Problem. Laut Polizei sollen auch mehrmals Frischwaren aus dem Kühlraum und Retourware gefehlt haben.

Gegen 19 Uhr tauchte der 22-jährige Armin M. im Müllraum auf – die Beamten nahmen ihn sofort fest. Bei ihm sollen sich auch Waren aus dem Kühlraum befunden haben. Unmittelbar danach betraten zwei weitere Personen das Geschäft. Doch als sie die Polizisten sahen, ergriffen sie die Flucht. Der 28-jährige Seelsorger wurde nach einer kurzen Verfolgung eingeholt,seiner Begleiterin gelang die Flucht. Ermittlungen sind im Gang. Zwei Beamte verletzten sich bei dem Einsatz leicht.

Schlüssel nachgemacht

Seit vergangenen Dezember wurden in der Supermarkt-Filiale laufend Waren vermisst. Die Täter kamen mit einem nachgemachten Schlüssel in den Müllraum. Davon will der Seelsorger nichts wissen. Er habe auch nichts kaputt gemacht. Der Altenbetreuer gibt dennoch zu: „Es war ein Fehler, den ich bereue.“ Er habe in den Medien von den Mülltauchern erfahren und sich davon „inspirieren“ lassen.

Caritas-Pressesprecher Martin Gantner sieht Gesprächsbedarf. „Wir werden uns die Vorwürfe im Detail anschauen. Aber der Mitarbeiter hat einen sehr guten und gewissenhaften Ruf.“ Es handle sich auch nicht um ein Schwerverbrechen, außerdem sei dies sein „Freizeitvergnügen“ gewesen.

Szene

Mülltaucher sind mittlerweile in fast allen Metropolen unterwegs. Auch in Wien hat sich eine Szene etabliert. Und dabei handelt es sich nicht um Menschen, die sich die Nahrungsmittel nicht leisten können – vielmehr wollen sie so gegen die Verschwendung aufzeigen. Im Internet gibt es sogar Tipps für Gleichgesinnte. Besonders ergiebig sind Sammeltouren bei Obst- und Gemüsemärkten.

Dumpster Diving, also Mülltauchen, ist auch unter dem Begriff „containern“ bekannt.In Österreich gilt Müll als „herrenlose Sache“. Dennoch kann es zu Anzeigen kommen – bei Sachbeschädigungen, etwa wenn Schlösser zerstört werden. Oft treffen sich Mülltaucher nach ihren Beutezügen, um die Waren auszutauschen. In Wien gibt es ein Gemüse- und Obstkollektiv, das Straßenzüge und Stadtteile unter sich aufteilt.