Chronik/Wien

Dschihad-Vorwurf: Pädagogin spricht von "Rufmord"

Für Aufregung sorgte in der Vorwoche der Artikel einer Boulevard-Zeitung über einen Favoritner Kindergarten, in dem angeblich „zum Heiligen Krieg“ erzogen werden soll. Wie berichtet, will ein ehemaliger Betreuer, der später gekündigt wurde, vor zwölf Jahren dort eine Broschüre gesehen haben, in der der bewaffnete Dschihad als finale Phase der islamischen Erziehung dargestellt wird. Grund genug für die Israelitische Kultusgemeinde Wien, gegen Muhammad Ismail S., den muslimischen Betreiber des Kindergartens, Anzeige zu erstatten.

In der Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft wird behauptet, der Aufsatz Die Erziehung unserer Kinder von Fatima Grimm werde in der Betreuungseinrichtung „als Material für Kindergartenpädagogen verwendet“.

S. bestreitet das vehement. Und auch Christine Bauer, die den Montessori-Kindergarten im besagten Zeitraum pädagogisch leitete, bestreitet sämtliche Vorwürfe. Für sie ist die Anzeige „eine Frechheit“, die Anschuldigung des ehemaligen Mitarbeiters „eine Lüge“.

„Was da über den Kindergarten behauptet wird, tut mir im Herzen weh. Diese Behauptungen sind an den Haaren herbeigezogen“, sagt die 44-jährige geborene Kärntnerin. Von 2001 bis Ende 2003 arbeitete sie für S., bevor sie sich aus gesundheitlichen Gründen in die Berufsunfähigkeitspension verabschieden musste.

Besagte Broschüre habe es während dieser Zeit im Kindergarten definitiv nicht gegeben, versichert sie. „Ich hätte sie doch irgendwo sehen müssen, ich hatte ja Zugang zu allen Räumen. Das ist absolut unwahr.“

„Ort der Vielfalt“

Laut Bauer habe Religion im Kindergarten – abgesehen von einem muslimischen Gebet vor der Jause – „überhaupt keine Rolle“ gespielt: „Ich bin praktizierende Christin und ich wurde von Herrn S. und seiner Frau ohne Vorurteil und sehr familiär aufgenommen. Niemand hat jemals versucht, mich zum Islam zu ,bekehren’. Ganz im Gegenteil: das war schon damals ein Multikulti-Kindergarten; ein Ort der Begegnung, ein Ort der Vielfalt.“

Betreut wurden die Kinder – muslimische, wie nicht-muslimische – „selbstverständlich auf Deutsch“, schildert Bauer. Eine Betreuerin, die sich weigerte, etwas anderes als Türkisch mit ihnen zu sprechen, sei deshalb gekündigt worden.

„Kalte Dusche“

Probleme habe es 2003 allerdings mit einem bestimmten Betreuer im zum Kindergarten gehörenden Hort gegeben, erinnert sich Bauer. Dieser sei aber nicht gekündigt worden, weil er die Existenz der „Dschihad-Broschüre“ der Behörde gemeldet habe – was laut MAG ELF ohnehin nicht geschah –, sondern „weil er nicht mit Kindern umgehen konnte“.

„Es gab damals reihenweise Beschwerden von Eltern“, erzählt Bauer. „Er wollte einem kleinen Buben zum Beispiel einmal Wasser ins Gesicht spritzen, weil er meinte, der brauche ,eine kalte Dusche’.“ Für Bauer ist die Behauptung des Ex-Kollegen „eine späte Retourkutsche“ und „Rufmord“.

Seitens der Stadt, die für die Kontrolle der Kindergärten zuständig ist, wurde auf den Vorwurf trotzdem mit einer Sonderinspektion reagiert. Allerdings wurde nichts Verdächtiges gefunden. S. behält sich rechtliche Schritte vor.