Immer weniger persönlicher Service: Die Wiener Linien schließen die nächste Verkaufsstelle
Es sind oft die kleinen Dinge, die in Wien für große Aufregung sorgen. Aktuelles Beispiel: Mit 1. Oktober haben die Wiener Linien ihre Vorverkaufsstelle auf der Kennedybrücke (U4-Station Hietzing) geschlossen. Im unmittelbaren Bereich der Station stehen damit nur noch die Fahrscheinautomaten zur Verfügung. Ihr Ticket-Angebot ist jedoch wesentlich eingeschränkter.
Hietzings Bezirksvorsteherin Silke Kobald (ÖVP) ist empört: „Die Vorverkaufsstelle stellte nicht nur die erste Auskunftsadresse für Touristen oder Einwohner anderer Bezirke dar, die sich nach demidealen Weg zur Weiterfahrt erkundigen möchten. Sie war auch für die Hietzinger und Penzinger Bevölkerung erste Anlaufstelle, wenn es um die Beantragung eines Semestertickets für Studenten oder die Schüler-Freifahrt geht.“
Insgesamt sind in den vergangenen fünf Jahren vier Vorverkaufsstellen geschlossen worden, 13 gibt es derzeit noch (siehe Grafik).
Bei den Wiener Linien betont man, dass sich das Kundenaufkommen immer mehr auf die größeren Standorte (z. B. Karlsplatz) konzentriere. „Die Vorverkaufsstelle in Hietzing hat hingegen seit sechs Jahren rückläufige Frequenzzahlen. Die Entscheidung ist also durchaus auf Basis jahrelanger Aufzeichnungen getroffen worden“, sagt eine Sprecherin zum KURIER.
Sie verweist auf die zahlreichen anderen Möglichkeiten, an einen Fahrschein zu kommen, die auch zusehends beliebter werden: Automaten in den Stationen, der Online-Shop und die Handy-App der Wiener Linien. Bereits mehr als zwei Drittel der 95.000 Semesterticket-Besitzer würden diese online kaufen, betont die Sprecherin. Weiteres bestehe nach wie vor die Möglichkeit, Tickets in Trafiken zu kaufen, in Hietzing etwa gebe es eine direkt bei der Station.
Mit Einsparungen beim Personal hätten die Schließungen nichts zu tun, sagt die Sprecherin. Aufgrund der Ausweitung der Öffnungszeiten an den verbleibenden Standorten würden die Mitarbeiter dort benötigt.
Bankensterben
Dennoch folgen die Wiener Linien damit einem Trend, der sich durch viele Sparten zieht. Die persönliche Betreuung von Kunden verliert zusehends an Bedeutung – und wird durch Online-Services ersetzt.
Ganz besonders dramatisch zeigt sich das im Bankensektor: Gab es 2009, also vor gerade einmal zehn Jahren, in Wien 519 Bankfilialen, sind es heute nur noch 372, heißt es bei Wiener Wirtschaftskammer. Rückläufig ist im Wiener Bankenwesen auch die Zahl der Beschäftigten: Von 26.260 (2014) sank sie auf 24.867 (2018).
Es ist der Siegeszug des Online-Bankings, der den Großteil der Dienste des Bankschalter-Mitarbeiters obsolet macht. Zum Ärgernis der Anrainer geht mit der Schließung einer Filiale in der Regel auch ein Bankomat verloren. Zum Ausgleich werden immer häufiger Geldautomaten an anderen Standorten aufgestellt, diese sind aber oft nur eingeschränkt zugänglich (etwa in Supermärkten). Die wachsende Bedeutung des bargeldlosen Bezahlens nimmt der Entwicklung aber die Dramatik.
Eher gefühlt als real ist das Postämter-Sterben. Die Schließung von Filialen wird durch sogenannte Postpartner-Stellen abgefangen. Somit gibt es derzeit in Wien 119 Geschäftsstellen, das sind sogar mehr als im Jahr 2009 (112), heißt es bei der Post. Österreichweit ist die Post gesetzlich verpflichtet, 1.650 Geschäftsstellen zu betreiben, tatsächlich gibt es 1.800.
Zuletzt stieg auch die Zahl der SB-Abholstationen in Wien an: Von 78 Stationen mit 14.977 Fächern (August 2018) auf mittlerweile 95 mit 21.892 Fächern. Leicht sinkend ist hingegen jene der Briefkästen (aktuell 1.103). Laut Post überschreitet man damit die gesetzlichen Vorgaben deutlich (mindestens ein Briefkasten im Umkreis von einem Kilometer rund um den Wohnsitz). Gleichzeitig verbucht die Post beim Privatkunden-Briefgeschäft jährlich einen Rückgang von zehn Prozent.